Paul Watzlawick hat das berühmte metakommunikative Axiom formuliert: „Du kannst nicht nicht kommunizieren.“ Sobald sich zwei Menschen sehen können beginnen sie, das Verhalten des jeweils anderen zu deuten und messen ihrer Beobachtung kommunikativen Sinn zu. Das bedeutet, dass Kommunikation schon beginnt, bevor auch nur ein Wort gesprochen ist.
Kommunikation als soziales Handeln
Es ist sogar möglich, dass ein Kommunikationspartner sich bereits vor der Begegnung Gedanken, um die bevorstehende Kommunikation macht. Dann spricht er oder sie in der Regel mit sich selbst – macht sich Vorstellungen über die Reaktionen und Erwartungen des Gesprächspartners, macht sich selbst noch einmal klar, was er oder sie rüberbringen möchte oder ähnliches. Spätestens bei wichtigen Gesprächen wird deutlich, dass Sprechen eine Art des Handelns ist, und möglichst selbstwirksam sein soll.
Mit dieser Sichtweise – Kommunikation als soziales Handeln – lassen sich einige Aspekte in den Blick nehmen, mit denen es möglich wird, sein Kommunikationsverhalten zu überdenken. Zunächst einmal ist Handeln etwas aktives, ich tue das, führe es selbst aus und damit wird es auch möglich, es anders auszuführen. Zwar sind die meisten Verhaltensgewohnheiten hochgradig routiniert und damit dem Bewusstsein eher fern, aber das ändert nichts daran, dass es prinzipiell möglich ist, Fähigkeiten zu vergrößern und ihre Anwendung zu verfeinern.
Ein Blick auf Handlung
Wozu Handeln gut sein soll, ist eine der vier großen philosophischen Fragen wie Kant sie verstand – was soll ich tun? Im Sinne der Aufklärung ist diese Frage scheinbar leicht zu beantworten – tue das, was für Dich und die Gemeinschaft am besten ist. Befrage das moralische Gesetz in Dir und Du wirst wissen, was zu tun ist. Auch wenn ich diese Antwort für ziemlich gut halte, muss ich feststellen, dass es gar nicht so einfach ist, meine Interessen mit den Interessen meiner Mitmenschen abzustimmen. Und selbst wenn mir das gelingt, ist immer noch nicht gesagt, dass mein Handeln auch die Folgen haben wird, die ich beabsichtigt habe.
Im Alltag spielen diese großen Dimensionen allerdings nur selten eine Rolle. Mein Handeln ist immerzu erforderlich, weil ich genau so wenig nicht „nicht-handeln“, wie nicht „nicht-kommunizieren“ kann. Mein Handeln kann durch äußere Umstände motiviert sein. Wenn es anfängt zu regnen, spanne ich einen Schirm auf und laufe etwas schneller. Handeln kann aber auch von ihnen her motiviert sein. Ich habe Hunger und sehe, dass ich etwas zu essen bekomme. Die Verhaltensbiologie geht von den kreatürlichen Funktionen als Motive aus. Dazu zählen eben Nahrungsaufnahme, Sexualität, Erhaltung des Lebens im weiteren Sinn aber auch soziale Handlungen wie Konkurrieren, Kontaktieren usw. Relativ neu entdeckt ist die intrinsische Motivation, aus der heraus Dinge einfach nur zum Spaß gemacht werden. Die Selbstwirksamkeit liegt jedes Mal auf der Hand.
Handlungen im Konflikt
Neurobiologisch ist Handeln dann gut, wenn es erfolgreich im Sinne der eigenen Bedürfnisse und Motive ist. Die Konsistenz – Selbstwirksamkeit – ist eine Quelle für den Selbstwert und die Lebenszufriedenheit. Wenn es mir gelingt, meine Bedürfnisse in der Welt zu stillen, geht es mir gut. Ebenfalls neurobiologisch lassen sich vier Motivationskreise darstellen. Selbstwert, Sexualität, Bindung und Kontrolle. Alle diese Motivationen sind fast ausschließlich im sozialen Kontext zu erreichen. In der Sozialpsychologie wiederum werden die wichtigen (und ausschließlichen) Bedürfnisse von Zugehörigkeit (Ausschluss) und Freundlichkeit (Feindseligkeit) in den sozialen Beziehungen betont.
An dieser Stelle wird deutlich, wie Motivationen sich gegenseitig behindern können. Meine organismischen Bedürfnisse z.B. nach Sexualität können an den Regeln einer Gesellschaft anstoßen, die Sexualität nur bedingt erlaubt. Ich stehe dann vor der Wahl zwischen Sexualität und Ausschluss oder beschränkter Sexualität und Zugehörigkeit – Zufriedenheit ist so nur schwierig zu erreichen. Dieses Spannungsverhältnis zwischen individuellen Bedürfnissen und sozialen Anforderungen ist nicht auflösbar. Es stellt den Ausgangspunkt aller kommunikativen Handlungen dar.
Ein Blick auf die Kommunikation
Im Allgemeinen wird Kommunikation als Verständigung betrachtet. Ein Sender verpackt eine Nachricht in ein „Sprachpäckchen“, das er dem Empfänger zukommen lässt. Dieser packt das Päckchen aus, entziffert die Nachricht und schon haben sich beide verständigt. Aber bereits das Ausmaß an Missverständnissen und Streit über das genaue Verstehen oder Missverstehen einer Mitteilung legt den Verdacht nahe, dass es wohl doch etwas komplizierter ist mit der Kommunikation.
Der Versuch einer Verständigung kann dabei bestehen bleiben. Aber dieser lässt sich auch co-kreativ betrachten. Es müssen also beide Kommunikationspartner daran mitarbeiten, dass die Verständigung gelingen kann. Diese Zusammenarbeit kann nun durch verschiedenste Umstände erschwert sein. Gerade wenn Kommunikationspartner bereits eine gemeinsame Geschichte haben, spielt diese in der aktuellen Kommunikation eine Rolle. Auch die Zukunftserwartungen der beiden Sprecher spielt natürlich eine Rolle.
Co-kreative Kommunikation
Darüber hinaus erfolgt Kommunikation zirkulär und nicht kausal, wie es das Päckchenmodell vorgibt. Zirkulär bedeutet, dass die Wirkung auf die Ursache zurück wirkt. Eine Äußerung des Einen wird vom anderen interpretiert und körpersprachlich kommentiert, was wiederum auf den ersten Sprecher zurückwirkt und dessen nachfolgende Erwiderung beeinflusst. Was von all den sprachlichen und körperlichen Äußerungen als relevant betrachtet wird, hängt von den Hörern selbst ab.
Im einfachsten Fall können wir vier verschiedene Aspekte der Kommunikation unterscheiden. Beide Partner zeigen etwas von sich selbst (Selbstoffenbarung) – wobei zum „zeigen“ neben der Körpersprache auch eine sprachliche Äußerung gehört. Weiter möchten sie den jeweils anderen dazu bringen, auf eine bestimmte Art zu handeln – dies wäre die Ebene des Appells. Dazu wird in der Regel versucht, den anderen auf der Beziehungsebene in die richtige Stimmung zu bringen (dies geschieht überwiegend körpersprachlich) und auf einer Sachebene kann der andere informiert werden.
Diese vier Kanäle der Kommunikation sind den Kommunikanten in der Regel nicht alle gleichzeitig bewusst. Traditionell sprechen Männer am Liebsten auf der Sachebene und Frauen am Liebsten auf der Beziehungsebene (ich betrachte das als Sozialisationseffekt und nicht biologisch bedingt). Bereits hier können zahlreiche missglückte Verständigungsversuche beobachtet werden.
Kommunikation und Selbstwirksamkeit
Aber natürlich sind alle Ebenen gleichermaßen wichtig und hier können die Beteiligten auch etwas dahingehend verändern, dass ihre Kommunikation selbstwirksam wird.
Unter der Ebene der Selbstoffenbarung liegt in aller Regel der Wunsch, so gesehen zu werden, wie man sich selbst vorstellt, zu sein. Es geht um Image und Anerkennung. Die Selbstwirksamkeit ist dann gegeben, wenn meine Vorstellung von mir bestätigt wird. Das ist völlig unabhängig davon, wie mein Selbstbild aussieht. Wenn ich ein ungünstiges Bild von mir habe, wünsche ich mir, dass dieses bestätigt wird und betrachte das dann als Erfolg. Wenn ich stattdessen etwas günstigeres zurück gespiegelt bekomme, fühlt es sich unpassend an und wird in der Regel zurückgewiesen oder ignoriert.
Beziehung
Unter der Beziehungsebene liegen die Beziehungserfahrungen und Erwartungen. Ich verhalte mich so, wie ich „denke“, dass es der Beziehung angemessen ist. Vertraut, distanziert, freundlich oder gleichgültig. Diese Erwartung kann erfüllt oder frustriert werden. Bei Erfüllung war ich selbstwirksam und bin zufrieden, selbst wenn die Erwartung so aussah, dass ich eben keiner Beziehung würdig bin.
Appell
Auf der Ebene des Appells kann es vorkommen, dass ich den Appell offen oder versteckt anbringe. Der (meistens versteckte) Appell kann sein, mir zu bestätigen, dass Du eh nicht tust, was ich von Dir erwarte. Diese Kommunikation wird wie ein Streit aussehen, aber zumindest für einen Beteiligten selbstwirksam und damit positiv sein.
Sachebene
Man könnte meinen, dass die Sachebene am wenigsten missverständlich ist. Allerdings sind „Sachen“ nicht einfach aus sich heraus Sachen, sondern ihnen werden Werte und Eigenschaften zugeordnet. Ein und dieselbe Sache – z.B. eine Blumenvase – kann von einem Kommunikanten sehr geschätzt werden und vom anderen als unwichtig betrachtet. Selbstwirksamkeit ist also sowohl für den Umgang mit der Sache, als auch mit der Bewertung der Sache verbunden.
Solche seltsamen Knoten in der Kommunikation – ich habe Erfolg, wenn ich scheitere – können Verständigung zu einem schier unlösbaren Ziel machen. Dabei wäre eine einvernehmlich gefundene Verständigung eine Quelle von großer Zufriedenheit.
Knoten und Lösungen
Wer sich bewusst wird, dass seine/ihre Kommunikationserfahrung immer wieder unbefriedigend bis frustrierend ist, fragt sich vielleicht auch, was der eigene Anteil an diesem Befund ist. Wie gesagt, zur Kommunikation gehören zwei und jeder der Beiden bringt seine eigenen Knoten mit. Aus den gängigen Modellen lassen sich ein paar Empfehlungen ableiten.
In Ich-Botschaften sprechen. Das bedeutet, Verantwortung für seine Sichtweise zu übernehmen, sie nicht durch eine unpersönliche Instanz zu rechtfertigen (das ist doch so).
Die eigenen Gefühle mitteilen. Das bedeutet, die inneren Wertungen offen zu legen und in einen Bezug zu den eigenen Beobachtungen und Auslösern zu bringen.
Unverstandenes Nachfragen. Das bedeutet, dass ich nicht sofort jeder Äußerung meines Gesprächspartners verstehen muss.
Bezogen auf die Grundmotivationen kann es sehr hilfreich sein, sich über sein Kontrollbedürfnis klar zu werden. Das bedeutet auch, einzuräumen, dass ich niemals alles kontrollieren kann, weder bei mir selbst und schon gar nicht beim Anderen. Kontrolle sucht Sicherheit und es ist hilfreich, sich darüber bewusst zu sein, wo man sich, ob zu Recht oder zu Unrecht, bedroht fühlt.
Ebenso hilfreich ist es sicher, sich über seine Bindungsbedürfnisse klar zu sein und diese auch mitteilen zu können.
Für eine erste Annäherung helfen vielleicht die Fragen:
Wie sehe ich mich selbst? Wie möchte ich von anderen gesehen werden?
Und für konkrete Gesprächspartner:
Welche Art von Beziehung habe ich zu ihm/ihr und welche wünsche ich mir vielleicht?
Was möchte ich, dass er/sie tun soll?
Falls sich immer wieder Knoten auftun kann sich ein Coaching empfehlen oder auch eine Teilnahme an der Selbsterfahrung mit Realming.