Die Möglichkeiten von Realming

Was ist eine Möglichkeit? Realming versteht „Möglichkeit“ von der „Notwendigkeit“ her. Notwendig ist für Menschen die Erfüllung aller Grundbedürfnisse wie Atmen, Essen, Trinken, Schlafen, Gesellschaft, Identität, Sicherheit und einiges anderes. Sind diese Grundbedürfnisse befriedigt entstehen Möglichkeiten, etwas so oder anders zu tun. Diese Möglichkeiten sind ihrer Natur nach potenziell unbegrenzt.

Notwendigkeit und Beziehung

Die Erfüllung ihrer Grundbedürfnisse war und ist für etliche Menschen an Bedingungen geknüpft. Das können materielle Bedingungen sein, soziale oder auch solche, die durch Beziehungen entstehen.
Am Beginn des Lebens sind Menschen vollständig von anderen Menschen abhängig, die für ihre Bedürfnisse sorgen müssen. Diese Versorgung wird nicht immer bereitwillig gegeben. Manchen Eltern fällt es schwer, die Signale ihrer Babys zu entschlüsseln, sie fühlen sich vielleicht überfordert, sind evtl. depressiv und es gibt noch viele andere Möglichkeiten, wie Bedürfniserfüllung mit Hindernissen belastet werden kann.
Die Erfahrung, dieser Erfüllung unter „Auflagen“, wird zur Normalität des Bekommens und eine Erwartung an Bedürfniserfüllungen. So frühe Erfahrungen haben die Angewohnheit, sich tief in das Selbstverständnis einzuprägen. Beim Erwachsenen tauchen dann solche Phänomene auf, wie: Ein schlechtes Gewissen, überhaupt etwas von jemandem zu brauchen; überhaupt gar nichts brauchen zu wollen; nicht zu bemerken, dass etwas gebraucht wird; fleißig andere mit dem zu versorgen, was man selbst nicht bekommen hat; gut gemeinten Angeboten, misstrauisch zu begegnen usf.
Realming bietet die Möglichkeit, sich seiner Bedürfnisse bewusst zu werden, sich ihnen zuzuwenden, ihre Erfüllung zu genießen, und sie von ihren „eingebauten“ Hindernissen zu befreien.

Notwendige Beziehungen

Eine andere Bedürfnisklasse stellt die Bezogenheit dar. Ohne eine stabile, vorhersehbare und ausreichend feinfühlige Beziehung, kann ein Mensch kaum leben. Dies gilt ganz besonders für Kleinkinder. Nicht alle Eltern sind in dazu in der Lage, diese Art von Beziehung anbieten zu können (in der Regel haben sie sie selbst ebenso wenig erfahren). Das Beziehungsangebot ist kalt, nicht vorhersehbar, nicht genügend feinfühlig oder gar chaotisch. Solche Erfahrungen stellen eine große Belastung für das Kind dar. Die Art und Weise, wie es mit dem dabei entstehenden Stress fertig wird, wird sich seiner Persönlichkeit tief einprägen.
Bei Erwachsenen finden sich dann Einstellungen, wie: Beziehungen sind überhaupt nicht wichtig; ohne Beziehung kann ich mir ein Leben nicht vorstellen; in der Beziehung wird alles für den Anderen getan; endlose Ambivalenz in der Partnerschaft usf.
Realming bietet zu diesem Thema die Möglichkeit, sich seiner Muster bewusst zu werden. Das Muster einmal spielerisch zu verlassen, es zu variieren und andere Gestaltungsmöglichkeiten kennenzulernen.

Grenzen und Autonomie

Noch eine andere Art von Bedürfnisklasse ist die Autonomie. Kinder werden größer, lernen laufen, greifen und wollen ihre Umwelt erforschen – eben auf eigenen Füßen stehen. Auch hier gibt es Eltern, die von dieser Entwicklung verunsichert sind, die ihrem Kind zu wenig oder zu viel Autonomie zugestehen. Sie verbieten diese Strebungen mit Strenge und Strafandrohung; zeigen sich ängstlich und überbesorgt; schmollen mit dem Kind, wenn es von seinen Ausflügen zurückkommt; oder ignorieren die Aktivitäten des Kindes völlig.
Auch diese Erfahrungen formen die Persönlichkeit nachhaltig mit. Sie sind „normal“ und für den Erwachsenen gelten dann Verhaltensweisen, wie: Lieber nichts selbst entscheiden; vor jeder Entscheidung um Erlaubnis bitten; Entscheiden, ohne jegliche Rücksichtnahme; Ängste in Entscheidungssituationen; endlose Ambivalenz usf.
Realming bietet dazu die Möglichkeit, sich seiner Autonomie bewusster zu werden, seine eigene Autorität kennenzulernen, sie zu erproben, und sich von den damit zusammenhängenden Unsicherheiten zu befreien.

Neue Möglichkeiten

Erwachsene Menschen habe ihr Leben so weit gemeistert, dass sie es führen können. Die Lebensqualität kann dabei sehr unterschiedlich sein. Einerseits wünschen sich die meisten Menschen ein überschaubares Leben, das zu ihnen passt. Andererseits fühlen sich manchen Menschen auch wie in einem Korsett aus Zwängen und Pflichten. Einige dieser Zwänge können noch aus der früheren Lebenszeit stammen. Aus einer Zeit, in der es kaum eine Wahl gab, in der es keine Möglichkeit des vernünftigen Nachdenkens gab, einer Zeit der existenziellen Abhängigkeit von Menschen, ohne die das Leben nicht vorstellbar war.
Wenn aus dieser Zeit markante Spuren geblieben sind, sind die persönlichen Möglichkeiten der Lebensgestaltung tendenziell eingeschränkt. Das Gefühl von „Zwang“ kommt aus dem Inneren, aus der Not der eigenen Lebensgeschichte.
In der Regel sind Erwachsene nicht mehr so sehr von anderen abhängig, nicht mehr so sehr auf das Wohlwollen von anderen angewiesen, brauchen sie auch keine Erlaubnis mehr, sich für oder gegen etwas zu entscheiden. Nur die verinnerlichten Erfahrungen und Anpassungen der frühen Lebenszeit hindern die Betroffenen daran, sich ihrer Möglichkeiten bewusst zu werden und zu nutzen.