gerecht – gerächt

Ein überraschendes Begriffspaar, das heute blitzschnell aus der Stille aufpoppt.

Mir selbst gerecht werden, war und ist ein Thema, das mir gut bekannt ist. Was fange ich mit meinen Talenten an – wie gehe ich mit mir um, wenn ich eine Chance, eine Gelegenheit verpasst habe? Aber auch die Frage: Inwieweit werden meine Vorstellungen, die ich mir über mich mache, meinen tatsächlichen Möglichkeiten gerecht.

In den nahen Beziehungen steht die Frage danach, wie ich den Erwartungen der anderen an mich gerecht werden kann. Inzwischen hinterfrage ich durchaus auch Erwartungen an mich und weise die eine oder andere, mir nicht gerechtfertigt erscheinende, auch einmal zurück. Ich kenne aber auch den Fall, in dem meine Erwartungen als nicht gerechtfertigt zurückgewiesen wurden und erinnere mich daran, dass dies meine Rachefantasien beflügelt hat.

Ich würde von mir sagen, dass ich über ein ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden verfüge und das Ausmaß an Ungerechtigkeit, v.a. im ferneren sozialen Raum, inspiriert ebenfalls gerne meine Rachefantasien.

Auf der Empfindungsebene nehme ich eine Zentrierung wahr, als gäbe es einen Kanal, der von meinen Füßen bis zu meinem Schädeldach und darüber hinaus reicht – eine Art perfekte Balance. Im Hintergrund nehme ich die Bereitschaft zu einem empörten Aufschrei wahr.

Emotional ist diese Zentrierung sehr ruhig, gelassen und friedvoll – der Hintergrund hat die emotionale Qualität eines Vulkans – potenziell brüllend und tobend eruptiv schläft er im Moment.

Ich denke, ich weiß, dass Rache nichts an Ungerechtigkeit ändert, ja dass sie  nur neue Ungerechtigkeit produziert. Ich weiß auch, dass perfekte Gerechtigkeit ein unerreichbares Ideal ist.

Meine Befürchtungen gehen dahin, dass ich selbst ungerecht handle, Leid zufüge, das ich nicht beabsichtigt habe. Auch die Befürchtung, dass der Vulkan einmal explodieren würde und dabei mehr Ungerechtigkeit entfalten würde, als die, die seinen Ausbruch veranlasst hat.

Meine Hoffnungen liegen auf der Entwicklung eines globalen Gerechtigkeitsrahmens – ein globaler, moralischer Horizont, der für alle Menschen gelten soll, eine Ordnung, die Ungerechtigkeit benennt, verhindert oder wiedergutmacht.

Meine Ziele gehen dahin, mein vulkanisches Temperament mit meinem Gerechtigkeitssinn zu balancieren und das möglichst tages- und ereignisaktuell.

In der Abschlussstille fühle ich mich ruhig, geklärt und versöhnt. Ich ahne, dass Gerechtigkeitssinn und leidenschaftliches Eintreten für Gerechtigkeit keine Gegensätze sind, sondern sich gegenseitig sogar bestärken können.

Gerecht – Gerächt

Ich bin unter eine Waage-Sonne geboren, der man ein großes Gerechtigkeitsempfinden nachsagt.

Mir selbst gerecht zu werden, scheint mir eine Lebensaufgabe zu sein. Da stellt sich zunächst die Frage, was dieses Selbst überhaupt ist und welche berechtigten Ansprüche es denn stellt. Das ist irgendwie verzwickt – das Selbst findet oder definiert einen Anspruch an sich selbst und entscheidet abschließend, ob es dann selbst dem Anspruch gerecht wurde – das kommt dann schnell in die Gefahr von Selbstgerechtigkeit und die finde ich nicht so gut.

Gerechtigkeit in meinen nahen Beziehungen ist ebenfalls keine einfach Aufgabe. Ich fühle mich schnell einmal ungerecht behandelt und habe dann einen Racheimpuls. Zum Glück bekomme ich inzwischen den Bogen ganz gut hin, auch die Interessen und Anliegen meiner Lieben in Betracht zu ziehen und kann damit einen Schritt dahin gehen, ihnen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.

Gerechtigkeit im sozialen Feld – das treibt mich mitunter zur Verzweiflung. Die Ungerechtigkeit, die sich in der Geschichte und durch das Wirtschaftssystem auf der Erde ausgebreitet hat, tut mir regelrecht weh. Auch hier finde ich schnell Racheimpulse, die sich wahlweise auf korrupte Eliten, gierige Kapitalisten oder dumm-grausame Populisten richten. Mir ist klar, dass Rache an den Zuständen nichts ändern kann, sondern nur das Spiel aufs Neue aufnimmt – das führt zu einem gewissen Ohnmachtsgefühl, das ich nicht gut leiden kann.

Wenn ich mich auf der Empfindungsebene mit dem Begriff verbinde, spüre ich sehr schnell eine zentrale, vertikale Achse in mir. Ich atme auf, meine Gesicht entspannt sich und die Achse verlängert sich nach unten in den Boden und nach oben zum Himmel hin.

Emotional fühle ich so etwas wie Milde und auch eine gewisse Erleichterung macht sich in mir breit.

Ich denke, dass es so etwas wie eine biologisch angelegte Form von Gerechtigkeitsempfinden gibt – Fairness – wäre wohl ein passender Begriff. Die biologisch angelegte Fairness findet in verschiedenen Kulturen, einen unterschiedlichen Ausdruck und diese kulturellen Regeln sind auch einer Entwicklung unterworfen. Unfair behandelt zu werden, löst – kulturübergreifend – Ärger und Wut aus und zwar sowohl beim Individuum, als auch bei einer sozialen Gruppe.

Bezogen auf mich selbst habe ich gute Hoffnung, dass ich Gerechtigkeit in mir und in meinen Beziehungen immer besser reflektieren, immer leichter umsetzen kann. Ängste habe ich in Bezug auf die sozialen Ungerechtigkeiten und dem riesigen Wutpotenzial, das so erzeugt wird.

Ich werde meiner Strategie der Entpolarisierung in Gerechtigkeitsdebatten beibehalten und weiterhin für gegenseitigen Respekt plädieren.

In der Abschlussstille fühle ich mich etwas wehmütig, fast traurig. Ich bin mit meiner Ohnmacht in Kontakt, die meinen Willen wachruft, der Ungerechtigkeit nicht einfach schweigend zuzusehen.

Tatsachen – tatsächlich

Heute habe ich die Tatsachen mit in die Stille genommen, gewissermaßen als Fortsetzung der Wahrheiten.

In meinem Raum mit mir selbst bin ich mir selbst eine Tatsache – ich habe mich gewissermaßen als Sache, mit der ich etwas tun kann – es gibt mich tatsächlich! Ich, als objektiv vorhandener Mensch (als Sache), kann objektive Handlungen an mir vornehmen – z.B. mich mit einem hübschen Tattoo verschönern (tun). Mit den Grenzen des möglichen Tuns muss ich mich dann abfinden.

In meinem nahen Beziehungsraum muss ich mich mit der Tatsache abfinden, dass meine Lieben nicht immer dasselbe tun wollen wie ich, bzw. auch nicht tun wollen, was ich will, dass sie es tun sollten – tatsächlich manchmal etwas frustig.

Im weiteren sozialen Raum staune ich über die Verwirrungen, die es zum Thema Tatsachen und Wahrheiten zu finden gibt. Natürlich gibt es verschiedene Ansichten dazu, wie man mit Tatsachen umgehen kann, bzw. welche Wahrheiten sich aus wahren oder vorgeblich wahren (also erlogenen) Tatsachen ableiten lassen. „Tatsachen sind die Feinde der Wahrheit“

Auf der Empfindungsebene tritt die Wahrnehmung meiner Beine und meines Beckens stark in den Vordergrund der Wahrnehmung. Beides fühlt sich kraftvoll und stabil an. Die Stimmung geht dabei in Richtung Zuversicht und Vertrauen und wenn ich länger mit der „Tatsache“ in Verbindung bleibe breiten sich die Empfindungen von Kraft und das Gefühl von Zuversicht weiter in den Rücken und in die Arme hinein aus.

Ich denke, dass der Unterschied zwischen einer Tatsache und dem Begriff, der für sie verwendet wird oft verwischt ist. Das ist ein gut bekanntes philosophisches Problem, dass wir die Tatsachen mit dem Begriff quasi verdoppeln. Der Stein, über den ich spreche, kann ich überall mit hinnehmen – wenn das allerdings ein großer Stein ist, wird er dabei immer an seinem Platz bleiben. Tatsachen bezeichnen Sachen, mit denen man wahrhaftig etwas tun kann – tatsächlich als Steinmetz eine Figur herstellen z.B. Was dann anderswo über diese Figur erzählt wird, entspricht nicht unbedingt der Wahrheit der Tatsache.

Meine Hoffnung geht dahin, dass ich gut genug einschätzen kann, was ich mit einer Sache tun kann und wo die Grenzen meiner Möglichkeiten liegen. Meine Befürchtung wäre, dass ich Tatsachen über- oder unterschätze und in Größen- oder Kleinheitswahn meine Möglichkeiten nicht wahrnehme oder überschätze.

Ich möchte erreichen, dass ich die Tatsachen mit passendem Abstand betrachte, die angemessene Wahrheit für sie finden und formulieren kann, dass ich mich nicht von den Tatsachen überrollen lassen und sie mir nah genug bleiben, dass ich dann etwas mit ihnen tun kann, wenn sie mich etwas angehen.

In der Abschlussstille breitet sich überraschend die Tatsache meines Lebendigkeit aus – ich fühle mich gleichzeitig kraftvoll und weich.