Geborgen – Verborgen

Ein seltsamer Begriff, der da heute Morgen aus der Stille auftaucht. In meinem Bett fühle ich mich geborgen, wenn ich in der Küche stehe und koche und wenn ich meine Lieblingswege im Wald spaziere – dann sind auch andere Lebensbereiche eher verborgen.

Geborgen fühle ich mich auch in den Armen meiner Liebsten, wenn wir herzlich miteinander lachen oder wir gemeinsam etwas erleben. Meiner Tochter versuche ich Geborgenheit zu vermitteln – ich hoffe, es gelingt mir hin und wieder.

Im sozialen Raum fällt es mir schwerer Geborgenheit zu finden. In Gruppen, in denen meine Rolle klar definiert ist noch am ehesten. Ich könnte sagen, dass mir die (Selbst)Sicherheit dort eher verborgen ist.

Körperlich empfinde ich den Begriff als entspannend. Der Impuls geht dahin mich zusammenzurollen und wie ein Fötus im Mutterbauch vor mich hin zu dämmern. Emotional ist das dann eher still – eine Art stiller und unbenannter Frieden – die turbulente Welt mit ihren Forderungen verbirgt sich vor mir.

Ich denke, dass Geborgenheit eine ganz wichtige, wenn auch unspektakuläre Qualität darstellt. In der Geborgenheit ist Erholung möglich, ein sicherer Raum, in dem die Samen der zukünftigen Projekte in Ruhe keimen können, um bei passender Gelegenheit austreiben zu können. Geborgenheit braucht intakte Hüllen und Grenzen, die Ungewissheit und Bedrohungen wirkungsvoll ausschließen können. Schön wird Geborgenheit dann, wenn der Innenraum behaglich ist. Für mich bedeutet das warm, still, trocken und weich.

Ich selbst fühle mich oft genug geborgen und ich hoffe für die vielen anderen Menschen, die ihre Geborgenheit verloren haben, dass sie sie wiederfinden werden. Meine Befürchtungen gehen dahin, dass die wirtschaftliche und politische Entwicklung in Zukunft wohl eher mehr Menschen entbergen wird.

Es fällt mir schwer, ein Erreichungsziel zu formulieren. Vielleicht das, die Vorzüge der Geborgenheit zu verkünden, um der lauten und schrillen Erlebniskultur eine ergänzende Qualität beizugeben. Und vielleicht auch, mich öfter an diese Möglichkeit zu erinnern, wenn die Alltagssorgen mir die Geborgenheit rauben.

Ich weiß nicht wie es zustande kommt, aber in der Abschlussstille fühle ich ein Vertrauen, als gäbe es eine bergendes Da-Sein, das meinen Sinnen verborgen ist und mich trotzdem umhüllt.

Wohl – Wollen

Aus Termingründen finde ich erst am Mittag zur Montagsstille. Es tauchen die Begriffe Wohl und wollen auf – ich bin gespannt.

In meinem Umgang mit mir selbst will ich mich gerne wohl fühlen. Das gelingt mir am besten, wenn ich spazieren gehe oder einfach in meinem Bett liege und vor mich hin träume. Andererseits ist das auch eine Gelegenheit, mir Gedanken über die Herausforderungen zu machen, mit denen ich mich nicht so wohl fühle, vor allem wenn es um Dinge geht, die ich will, aber nicht erreiche, dann liegt das Wollen quer zum Wohligen.

In meiner nahen Beziehungswelt wird das Wohlige zum Gemeinschaftsprojekt, das ich nur mitgestalten kann. Das Wollen der Beteiligten hat jedenfalls nicht immer dasselbe Ziel, aber wenn es dann einmal so ist, ist es auch besonders wohlig.

Das Wohl in der Gesellschaft ist für mich schwer zu bestimmen. Mein Eindruck ist, dass sich eher wenig Menschen wohl fühlen und dass etliche eigentlich ein anderes Leben wollen – eins mit weniger Sorgen, Druck und Ängsten. Ich selbst habe es auch nicht so leicht, mich in sozialen Zusammenhängen wohl zu fühlen, obwohl ich es manchmal wollen würde.

Auf der Empfindungsebene kann ich eine doppelte Bewegung wahrnehmen. Eine Sehnsucht nach Wohligkeit, Entspannung, loslassen – ich spüre das in der Brust und der oberen Wirbelsäule, ein nach-hinten-sinken in Vertrauen. Es kommt aber recht schnell der Impuls nach vorne, eine Anspannung in der Augenpartie und in den Brustmuskeln – assoziiert ist das mit etwas-tun-wollen. Als müsste ich erst genug getan haben, damit ich mich endlich wohlfühlen darf.

Emotional fühle ich ein sanftes Lächeln, eine ruhig Freude in Richtung des Wohligen. Der Impuls des Wollens ist eher mit so etwas wie Misstrauen verbunden.

Ich denke, das Wohl etwas mit stimmigen Umständen zu tun hat. Abwesenheit von Gefahr, Anregung im richtigen Maß, Gesundheit, Beziehung, Zugehörigkeit und Sinn. Ich denke auch, dass solche Umstände die eigentlichen Ziele des Wollens sind, dass das Missliche dabei ist, dass ich niemals auch nur annähernd die Kontrolle darüber erreichen kann, es mir auch so einzurichten.

Ich hoffe sehr, dass ich künftige günstige Umstände auch dazu nutzen kann, mich wohlig in sie einzufügen und nicht, mich womöglich von meinem Wollen daran hindern lasse. Eine Befürchtung wäre, dass ich mich von Schein-Wohligkeiten – z.B. Konsum von was auch immer – davon abbringen lasse, danach zu streben, dass spürbar Wohlige zu genießen.

Ich denke, ich habe eine Präferenz des Wollens gegenüber dem Wohligen und ein Schritt für mich wäre es, meine Wohligkeitstoleranz zu trainieren. Zu üben, dass ich wohlige Umstände auch genießen kann, dass sie mir Kraft geben können um danach wieder zu wollen.

In der Abschlussstille fällt mir ein Zitat von A.N. Whitehead ein – sinngemäß: Menschen wollen sich wohlfühlen. Wenn sie sich wohlfühlen, wollen sie sich noch wohler fühlen und wenn sie sich noch wohler fühlen, dann wollen sie sich noch wohler fühlen. So betrachtet eigentlich ganz einfach – wenn wir uns einfach nur miteinander wohlfühlen könnten. Aber das ist ein ganz anderes Thema.

Gemeinsam – gemein

Nicht jede Stille hat dieselbe Qualität. Die Unterschiede sind allerdings höchst subtil – heute hatte sie eine irgendwie besonders feine Qualität.

Mit wem bin ich gemeinsam in meinem Raum mit mir, in meinem Leben in der Welt? Oft ist dann mein Bewusstsein, ein Bewusstsein von Beziehungen. Das kann die Beziehung zu meiner Familie sein, oder z.B. die Beziehung zu politischen Ereignissen. Je nach Inhalt fühle ich mich dann mehr oder weniger wohl. Ich finde dann hoffentlich einen Umgang mit den Fragen, die mich jeweils beschäftigen.

Gemeinsame Zeit mit meiner Familie ist ein seltenes Gut geworden. Zwei arbeitende Eltern und ein selbstständiger werdendes Kind in der Schule sind nicht die besten Voraussetzungen für gemeinsam verbrachte Zeit. Ich finde es auch gar nicht so einfach, eine Beschäftigung zu finden, mit der wir alle einverstanden sind.

Das große Reservoir der Gemeinsamkeit, die Gemeinschaft der Öffentlichkeit ist für mich ein ambivalentes Territorium. Ich bin unvermeidlich ein Teil davon und immer wieder davon herausgefordert, wie weit ich mich gemein machen mag (oder es einfach bin) und inwieweit ich einen anderen Weg gehe, bzw. mir eine Teilöffentlichkeit suche, in der ich einen Platz einnehmen will.

Auf der Empfindungsebene verwandle ich mich in eine kindliche Version von mir. Mein Hals zieht sich ein wie eine Schildkröte, meine Atemtätigkeit kommt fast völlig zum Erliegen und auf mein Gesicht legt sich eine freundliche Unschuldsmiene.

Ich fühle darin kaum etwas. Ganz undeutlich kann ich eine unbestimmte Furcht wahrnehmen. Wenn ich mich tiefer auf diese Furcht einlasse komme ich näher an das Empfinden, weinen zu müssen. Es entsteht eine Erregung in der Verzweiflung und Trotz mitschwingt, der Impuls wäre, mich umzudrehen und wegzulaufen.

Gemeinsam sind wir stark und Gruppen können sehr gemein sein. Ich merke, dass meine Gedanken über die Gemeinsamkeit ein wenig von Fatalismus durchzogen sind. Ich kann es nach wie vor nicht fassen, dass der Umstand, dass die allermeisten Menschen, die allermeisten Bedürfnisse gemeinsam haben, dass die Gemeinsamkeiten die Unterschiede weit übertreffen, nicht zu der Einsicht führt, dass Zusammenarbeit sinnvoll ist. Die tatsächlich geringen Unterschiede zwischen Menschen, scheinen umso wichtiger zu sein, je bewusster die Gemeinsamkeiten werden.

Meine unverdrossene Hoffnung geht dahin, dass die Einsicht wächst, dass Menschen nur gemeinsam die Zukunft auf diesem Planeten gestalten und überhaupt erst ermöglichen können. Die Hoffnung für mich ist, dass ich mit meiner „Öffentlichkeitsscheu“ souveräner umgehen lerne.

Das wäre wohl auch mein Erreichungsziel, mich nicht von den alten Gruppenerfahrungen ausbremsen zu lassen und meine Gedanken der Allgemeinheit anzubieten – Dieser Blog ist ein Schritt in diese Richtung

In der Abschlussstille bekomme ich eine Ahnung von der enormen Kraft, die eine gemeinsame Unternehmung entfalten könnte und davon, wie kraftvoll ich mich fühle, wenn ich Teil einer gemeinsamen Sache wäre.

Entscheidung – Vermeidung

Menschliches Sein ist entscheidendes Sein – so hat sinngemäß Viktor Frankl seine Menschenkunde kurz ausgedrückt.
In meinem Umgang mit mir selbst entscheide ich, was ich wann esse, wann ich ins Bett gehe, wie lange ich meditiere oder blödes Zeugs mache. Tatsächlich kann ich jede meiner Handlungen als meine Entscheidung sehen und ich versuche tatsächlich auch, das so zu sehen. Allerdings sind zahlreiche Alltagsentscheidungen in Routinen verborgen, die mir nicht immer bewusst sind. Routinen sind so gesehen Entscheidungen von gestern und vorgestern, die ich seither nicht mehr hinterfragt habe.
In meinem nahen Umfeld muss ich meine Entscheidungen verantworten. Warum habe ich jenes getan oder dieses unterlassen? Und dann gibt es das weite Feld der gemeinsamen Entscheidungssuche – z.B. was wollen wir am Wochenende kochen? Natürlich dringen auch die Entscheidungen, die ich für mich getroffen habe, in diesen Raum ein und ich muss sie dort womöglich begründen.
Im weiteren Umfeld bin ich sehr viel mehr mit Entscheidungen anderer konfrontiert und es gibt da eine Menge von Entscheidungen, die mich betreffen, an denen ich keine Mitsprache hatte und die mir nicht unbedingt gefallen. Na ja, bald ist Landtagswahl, da wird meine Stimme ein ganz klein wenig zählen.
Auf der Empfindungsebene spüre ich bei dem Begriff sofort einen Bewegungsimpuls. Mein Rumpf und Kopf gehen in eine Links-Rechts Bewegung. Das geht einher mit subtilen Gefühlen von Not, Furcht und Trauer. Ich habe Angst davor, mich falsch zu entscheiden, für meine Entscheidung beschimpft zu werden und das möchte ich auf dieser Ebene ganz bestimmt vermeiden.
Auf der kognitiven Ebene ist mir klar, dass ich ein Vermeidungsziel nicht erreichen kann.

Ich denke, dass Entscheidungen und Verantwortung sehr eng beieinander liegen. Weil es mir unmöglich ist, in die Zukunft zu sehen, weiß ich nie, was aus meiner heutigen Entscheidung wird. Wird sie zu dem führen, was ich erwarte oder wird etwas Unvorhergesehenes meine Entscheidung als ungut entlarven? Ich denke Viktor Frankl hat mit seinem Satz etwas Wichtiges ausgedrückt und während ich dies schreibe, bekomme ich Lust, mir noch mehr Gedanken dazu zu machen.
Ich hoffe natürlich, dass ich mit meinen Entscheidungen richtig liege, dass sie dahin führen, wohin ich kommen wollte. Aus Erfahrung weiß ich, dass ich nicht entscheidungsfreudig bin und verbinde das mit der Befürchtung, einen Fehler zu begehen.
Ein Erreichungsziel zu formulieren fällt mir schwer. Die ungewisse Zukunft bleibt mit Entscheidungen verbunden und ich wünsche mir vielleicht manchmal, dass ich mich leichter entscheiden könnte, aber irgendwie hätte ich dann keine Zeit mehr abzuwägen, was denn nun die sinnvollste Entscheidung sein könnte. Ein Schritt für mich wäre wohl, mir dafür keine Vorwürfe zu machen, mich in meiner häufigen Unentschiedenheit zu versöhnen, bzw. klarer unterscheiden zu können, wann ich mich aus einer alten Furcht heraus nicht traue, mich zu entscheiden und wann es situativ nicht so einfach ist.
In der Abschlussstille komme ich in Kontakt mit der großen Freiheit, die ich als entscheidender Mensch besitze – ein großes Gefühl, mit dem ich vielleicht öfter in Kontakt treten könnte, wenn ich mich mal wieder entscheiden muss.

Freiheit – Freizeit

Es hat heute eine lange Stille gebraucht, bis der Begriff „Freiheit“ aufgetaucht ist. Meine Freiheit mit mir erlebe ich vor allem in meiner Gedankenwelt, in meiner Achtsamkeit mit mir, in der ich meinen Gefühle, Impulse und Fantasien reflektieren kann. Oft ist es eine Freiheit des Träumens, wenn ich gerade frei von Terminen und Verpflichtungen bin, abends im Bett liege oder einen schönen Spaziergang mache.

Meine Beziehung habe ich frei gewählt und freiwillig Verantwortung dafür übernommen. Die Schranken, die mir die Beziehung auferlegt, nehme ich ebenfalls als selbst gewählt an. Allerdings kenne ich auch eine Begrenzung in der Konfrontation. Alte Ängste tauchen aus der Vergangenheit auf und schieben sich zwischen mich und meine/n Gesprächspartner*in. Kritik zu äußern und Forderungen zu stellen fällt mir äußerst schwer – hier muss ich für meine Freiheit kämpfen.

Die Freiheit im sozialen Kontext erlebe ich vielgestaltig. Die Kultur legt mir eine Menge von Begrenzungen in den Weg und gewährt mir andererseits etliche Freiheiten – z.B. die der Meinung, der Wahl, des Konsums usw. Ich spüre einen gewissen Überdruss, wenn ich die Parole: „Freiheit“ auf Wahlplakaten sehe und den Eindruck habe, dass es hier tatsächlich nur noch um die Freiheit des Konsums geht.

Freiheit auf der Empfindungsebene nehme ich als Ausweitung wahr. Mein Gesicht entspannt sich, meine Brust und mein Bauch wird weicher und damit einher geht ein Gefühl von stiller Freude und einer unbestimmten Zuversicht.

Meine Gedanken zum Begriff sind zahlreich. Ich habe viel dazu gelesen und gedacht. Meine augenblickliche Erkenntnis dazu ist, dass Freiheit nur in Bezug zu einer Grenze Sinn macht. Meine Freiheit ist auf Grundlagen angewiesen, die sie erst ermöglichen. Das größte Hindernis, das sich meiner Freiheit entgegenstellt sind meine Ängste vor Veränderung und vor Ausgrenzung. Die Glaubenssätze und Regeln, die ich verinnerlicht habe sind die wirkungsvollsten Ketten, die mich zurückhalten.

Meine Hoffnungen zur Freiheit gehen in Richtung der Befreiung von diesen Selbstfesselungen. Ich sehne mich danach, meine Gedanken, Wünsche und Impulse freier ausdrücken und mitteilen zu können.

Erreichen möchte ich, dass ich meine inneren Schranken leichter überwinden lerne. Sie als das sehen zu lernen, was sie sind – alte Lösungen für alte Geschichten – um dann die Freiheit der Gegenwart aufzunehmen und ebenso gegenwärtig zu handeln.

Dass ich mich öffentlich zugänglich in diesem Blog ausdrücke, betrachte ich als Schritt auf diesem Weg.

In der Abschlussstille nehme ich wahr wie gigantisch groß der Raum der Freiheit ist – unbekannt und voller Potenzial, etwas wirklich schönes und sinnvolles zu tun.