Pausenlos – Sommerpause

Am heutigen Montag präsentiert mir die Stille das Bedürfnis nach einer Pause. Im Umgang mit mir selbst rattert mein Bewusstsein pausenlos, beschäftigt sich mit den Fragen, die mich umtreiben, den „Jobs“, die ich zu erledigen habe, bemüht sich, nichts Wichtiges zu vergessen usw. usf. Pausen finde ich in der Natur oder im kreativen Gestalten – Windräder bauen z.B.

Pausen mit der Familie können sich am Wochenende einstellen und natürlich im Urlaub. Dann fällt mir erst auf, wie wenig Pausen wir im Alltag gemeinsam haben.

Im sozialen Feld herrscht gewissermaßen pausenlose Hysterie und Skandalisierung – von der ich ebenfalls leicht angesteckt werde. Bei meiner Arbeit als Therapeut, Dozent und Begleiter kommt mir diese Arbeitszeit schon fast wie eine Pause vom öffentlichen Gekreische vor.

Auf der Empfindungsebene spüre ich sofort meine schweren Augenlider, eine gewisse Müdigkeit, die sich urlaubsreif anfühlt.

Emotional wird das von einer stillen Heiterkeit begleitet, einer leisen Vorfreude darauf, viel in der Natur zu sein, das Meer bald wieder zu sehen und natürlich darin zu schwimmen.

Ich denke, wir leben in einer Zeit, in der die Pausen ebenfalls optimiert werden sollen, in der einfach rumsitzen und rumlungern als Zeitverschwendung betrachtet wird. Dabei halte ich Pausen für unabdingbar für eine gute Lebensqualität – nicht wissen, was man in einer halben Stunde oder in zwei Tagen oder irgendwann zu tun gedenkt, sondern einfach in den Tag hinein leben zu können und das Leben auf sich zukommen lassen – herrlich oder?

Ich befürchte, dass der soziale Druck auch meine Pausen immer kleiner werden lässt, dass ich es mir weniger leisten kann, nach meinem eigenen Rhythmus zu leben, meine Prioritäten so zu setzen, wie es mir stimmig erscheint.

Mein Vorsatz geht entsprechend dahin, wachsam für solche Drucksituationen zu sein, genau abzuwägen, wie hoch der Preis für einen Verzicht auf eine Pause tatsächlich ist.

In der Abschlussstille sind meine Augenlider noch schwerer geworden. Ich fühle mich sehr stimmig damit, auch diesem Blog eine Sommerpause zu gönnen, um dann im September aufs Neue meine Gedanken aus der Stille zu veröffentlichen.

Gerecht – Gerächt

Ich bin unter eine Waage-Sonne geboren, der man ein großes Gerechtigkeitsempfinden nachsagt.

Mir selbst gerecht zu werden, scheint mir eine Lebensaufgabe zu sein. Da stellt sich zunächst die Frage, was dieses Selbst überhaupt ist und welche berechtigten Ansprüche es denn stellt. Das ist irgendwie verzwickt – das Selbst findet oder definiert einen Anspruch an sich selbst und entscheidet abschließend, ob es dann selbst dem Anspruch gerecht wurde – das kommt dann schnell in die Gefahr von Selbstgerechtigkeit und die finde ich nicht so gut.

Gerechtigkeit in meinen nahen Beziehungen ist ebenfalls keine einfach Aufgabe. Ich fühle mich schnell einmal ungerecht behandelt und habe dann einen Racheimpuls. Zum Glück bekomme ich inzwischen den Bogen ganz gut hin, auch die Interessen und Anliegen meiner Lieben in Betracht zu ziehen und kann damit einen Schritt dahin gehen, ihnen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.

Gerechtigkeit im sozialen Feld – das treibt mich mitunter zur Verzweiflung. Die Ungerechtigkeit, die sich in der Geschichte und durch das Wirtschaftssystem auf der Erde ausgebreitet hat, tut mir regelrecht weh. Auch hier finde ich schnell Racheimpulse, die sich wahlweise auf korrupte Eliten, gierige Kapitalisten oder dumm-grausame Populisten richten. Mir ist klar, dass Rache an den Zuständen nichts ändern kann, sondern nur das Spiel aufs Neue aufnimmt – das führt zu einem gewissen Ohnmachtsgefühl, das ich nicht gut leiden kann.

Wenn ich mich auf der Empfindungsebene mit dem Begriff verbinde, spüre ich sehr schnell eine zentrale, vertikale Achse in mir. Ich atme auf, meine Gesicht entspannt sich und die Achse verlängert sich nach unten in den Boden und nach oben zum Himmel hin.

Emotional fühle ich so etwas wie Milde und auch eine gewisse Erleichterung macht sich in mir breit.

Ich denke, dass es so etwas wie eine biologisch angelegte Form von Gerechtigkeitsempfinden gibt – Fairness – wäre wohl ein passender Begriff. Die biologisch angelegte Fairness findet in verschiedenen Kulturen, einen unterschiedlichen Ausdruck und diese kulturellen Regeln sind auch einer Entwicklung unterworfen. Unfair behandelt zu werden, löst – kulturübergreifend – Ärger und Wut aus und zwar sowohl beim Individuum, als auch bei einer sozialen Gruppe.

Bezogen auf mich selbst habe ich gute Hoffnung, dass ich Gerechtigkeit in mir und in meinen Beziehungen immer besser reflektieren, immer leichter umsetzen kann. Ängste habe ich in Bezug auf die sozialen Ungerechtigkeiten und dem riesigen Wutpotenzial, das so erzeugt wird.

Ich werde meiner Strategie der Entpolarisierung in Gerechtigkeitsdebatten beibehalten und weiterhin für gegenseitigen Respekt plädieren.

In der Abschlussstille fühle ich mich etwas wehmütig, fast traurig. Ich bin mit meiner Ohnmacht in Kontakt, die meinen Willen wachruft, der Ungerechtigkeit nicht einfach schweigend zuzusehen.

Erkennen – Anerkennen

Ich vermute, es hat mit einem kurzen Anfall von Betrübnis über meine mangelnden Kenntnisse zu tun, dass heute dieser Begriff aus der Stille auftaucht.

Ich halte mir einiges zugute, was meine Selbsterkenntnis angeht. Wenn ich allerdings ein wenig tiefer schürfe, finde ich dort auch immer einige Spuren, die ich zwar erkennen könnte, die anzuerkennen mir aber nicht so leicht fällt. Ich mache mir auch sehr gerne Gedanken zu Erkenntnissen über die Welt und die Menschen darin. In der Regel profitiere ich dabei von fremden Erkenntnissen, die ich dann darauf überprüfen kann, ob ich sie anerkennen kann oder will – ein endloses Spiel.

In den Beziehungen zu meinen Liebsten stehe ich immer wieder vor der Herausforderung, anerkennen zu müssen, dass ich sie nicht ganz richtig erkannt habe und muss auch mit dem Frust umgehen, dass ich mich mitunter auch nicht anerkannt, bzw. nicht erkannt fühle. Das liefert eine Menge Gesprächsstoff.

Die sozialen Felder stellen für mich schon immer eine besondere Herausforderung dar. Was ich dort erkenne, bzw. zu erkennen glaube, treibt mich tendenziell zur Verzweiflung – nicht mehr ganz so schlimm, wie es schon war, aber immer noch, immer wieder mal. Sozialität als quasi eigenständige Realität anzuerkennen fällt mir inzwischen leichter, was dabei herauskommt gefällt mir deutlich seltener.

Auf der Empfindungseben spüre ich fast sofort meine Stirn besonders deutlich. Eine kugelige Empfindung von Wärme oberhalb meiner Nasenwurzel. Dann breitet sich die Empfindung in die Augen hinein aus und eine Verbindung zum Rumpf hin öffnet sich.

Die Gefühle dabei sind sehr subtil. Zunächst die Spur eines Lächelns, zwischen Freude und Zufriedenheit, dann aber auch so etwas wie Misstrauen und Zweifel, die kurz darauf fühlbar werden.

Ich denke, dass Erkennen mit Empfindung beginnt – an den Kontaktstellen, den Sinneszellen meines Körpers zur inneren und äußeren Welt. Für diese Empfindungen habe ich Worte erlernt, mit denen ich diese Erfahrungen in den Zeitfluss einordnen kann, mit denen ich Erklärungen für die Erfahrungen erfinden kann, die dann zu einem Erkennen führen können. Bis hierher ist das noch subjektives Erkennen in sozialen Bedeutungsfeldern. Einen „Erkenntniskick“ erlebe ich dann, wenn ich denke, glaube, zu wissen meine, dass eine Erkenntnis über mich und meine Kultur hinaus gültig ist.

Meine Hoffnungen gehen dahin, dass meine Erkenntnisse zutreffend und den Situationen angemessen sind. Leider ist das nicht so leicht positiv festzustellen. Meine Befürchtungen sind entsprechend, dass ich mich auch täuschen könnte, dass ich auf falsche Erkenntnisse gesetzt habe.

Mit einer Art produktiver Skepsis versuche ich meinen Erfahrungsraum offen genug zu halten, so dass mir Unbekanntes begegnen kann und ich mich dabei gleichzeitig auf einem festen Boden bewährter Erkenntnisse befinde. So kann bestenfalls zwischen mir und dem Unbekannten etwas Neues entstehen, das mich mit neuen Erkenntnissen beglücken kann.

Die Abschlussstille ist unspektakulär. Es herrscht nur tiefe, tiefe Stille.

Ruhe – beruhigt

Der heutige Begriff ist ein Geschenk der Stille des Waldes, den mir gestern beim Spaziergang die Vögel zu gezwitschert haben.

Ruhe in und mit mir selbst finde ich, mehr oder weniger leicht, in der Meditation – und dafür musste ich lange üben. Diese Ruhe ist nicht immer still, aber anstatt zwischen den Inhalten meines Bewusstseins, meiner Empfindungen und meinen Gefühlen hin- und her zu zappeln, finde ich mich in einer Art Zentrum, das von all diesen Phänomenen umkreist wird. Mein Lieblingsruheplatz ist aber eindeutig mein Bett.

Sehr viel seltener sind Momente der Ruhe mit meiner/n Liebsten. Das Timing ist alles andere als einfach zu koordinieren. Wenn wir aber Zeiten der gemeinsamen Ruhe erleben ist das unbeschreiblich schön und erfüllend.

Ruhe im sozialen Feld scheint mir bis auf weiteres nicht erwartbar – je weiter ich hinaus schaue, umso unruhiger und hektischer erscheint mir die Erregungslage. Nur im näheren Umfeld gibt es kleine Lichtblicke der Beruhigung.

Wenn ich nach meinen Körpersignalen forsche stellt sich zunächst eine kleine Entspannung der Schultern ein, die Ausatmung vertieft sich etwas und ich spüre, dass ich mich ziemlich erschöpft fühle.

Emotional komme ich in Kontakt mit einer tiefen Traurigkeit, die ich schon seit meiner Kindheit kenne – ein guter Grund, möglichst nicht zur Ruhe zu kommen.

Ich denke, dass Ruhe ein Ergänzungspol von Aktivität ist – sie kann in Richtung Lethargie oder in Richtung Hektik verzerrt erscheinen und natürlich auch biografisch belastet sein.

Meine Hoffnungen und Wünsche zur Ruhe sind sehr persönlich – der Wunsch in den Arm genommen zu werden und durch diesen Halt beruhigt, zur Ruhe kommen zu dürfen. Ich kenne allerdings auch die Befürchtung vor der „falschen Ruhe“ – die vorgibt, alles sei gut und Protestaktivität sei nicht nötig – da ist es bei mir mit der Ruhe vorbei.

Erreichen möchte ich gerne, dass der Ruhezustand mir noch leichter zugänglich wird, dass meine hektischen Impulse sich an den Boden von Vertrauen erinnern, der inzwischen in mir und in meinen wichtigen Beziehungen gewachsen ist.

Die tägliche Übung dazu ist mein freundlich, neugieriger Zeuge, der es wahrnehmen kann, wenn die Wellen der Hektik und Erregung wieder höher schlagen.

In der Abschlussstille bemerke ich vor allem das Lächeln in meinem Gesicht – ich würde es als eine Art stiller Friedlichkeit umschreiben – sehr beruhigend!

Tatsachen – tatsächlich

Heute habe ich die Tatsachen mit in die Stille genommen, gewissermaßen als Fortsetzung der Wahrheiten.

In meinem Raum mit mir selbst bin ich mir selbst eine Tatsache – ich habe mich gewissermaßen als Sache, mit der ich etwas tun kann – es gibt mich tatsächlich! Ich, als objektiv vorhandener Mensch (als Sache), kann objektive Handlungen an mir vornehmen – z.B. mich mit einem hübschen Tattoo verschönern (tun). Mit den Grenzen des möglichen Tuns muss ich mich dann abfinden.

In meinem nahen Beziehungsraum muss ich mich mit der Tatsache abfinden, dass meine Lieben nicht immer dasselbe tun wollen wie ich, bzw. auch nicht tun wollen, was ich will, dass sie es tun sollten – tatsächlich manchmal etwas frustig.

Im weiteren sozialen Raum staune ich über die Verwirrungen, die es zum Thema Tatsachen und Wahrheiten zu finden gibt. Natürlich gibt es verschiedene Ansichten dazu, wie man mit Tatsachen umgehen kann, bzw. welche Wahrheiten sich aus wahren oder vorgeblich wahren (also erlogenen) Tatsachen ableiten lassen. „Tatsachen sind die Feinde der Wahrheit“

Auf der Empfindungsebene tritt die Wahrnehmung meiner Beine und meines Beckens stark in den Vordergrund der Wahrnehmung. Beides fühlt sich kraftvoll und stabil an. Die Stimmung geht dabei in Richtung Zuversicht und Vertrauen und wenn ich länger mit der „Tatsache“ in Verbindung bleibe breiten sich die Empfindungen von Kraft und das Gefühl von Zuversicht weiter in den Rücken und in die Arme hinein aus.

Ich denke, dass der Unterschied zwischen einer Tatsache und dem Begriff, der für sie verwendet wird oft verwischt ist. Das ist ein gut bekanntes philosophisches Problem, dass wir die Tatsachen mit dem Begriff quasi verdoppeln. Der Stein, über den ich spreche, kann ich überall mit hinnehmen – wenn das allerdings ein großer Stein ist, wird er dabei immer an seinem Platz bleiben. Tatsachen bezeichnen Sachen, mit denen man wahrhaftig etwas tun kann – tatsächlich als Steinmetz eine Figur herstellen z.B. Was dann anderswo über diese Figur erzählt wird, entspricht nicht unbedingt der Wahrheit der Tatsache.

Meine Hoffnung geht dahin, dass ich gut genug einschätzen kann, was ich mit einer Sache tun kann und wo die Grenzen meiner Möglichkeiten liegen. Meine Befürchtung wäre, dass ich Tatsachen über- oder unterschätze und in Größen- oder Kleinheitswahn meine Möglichkeiten nicht wahrnehme oder überschätze.

Ich möchte erreichen, dass ich die Tatsachen mit passendem Abstand betrachte, die angemessene Wahrheit für sie finden und formulieren kann, dass ich mich nicht von den Tatsachen überrollen lassen und sie mir nah genug bleiben, dass ich dann etwas mit ihnen tun kann, wenn sie mich etwas angehen.

In der Abschlussstille breitet sich überraschend die Tatsache meines Lebendigkeit aus – ich fühle mich gleichzeitig kraftvoll und weich.