Gemeinsam – gemein

Nicht jede Stille hat dieselbe Qualität. Die Unterschiede sind allerdings höchst subtil – heute hatte sie eine irgendwie besonders feine Qualität.

Mit wem bin ich gemeinsam in meinem Raum mit mir, in meinem Leben in der Welt? Oft ist dann mein Bewusstsein, ein Bewusstsein von Beziehungen. Das kann die Beziehung zu meiner Familie sein, oder z.B. die Beziehung zu politischen Ereignissen. Je nach Inhalt fühle ich mich dann mehr oder weniger wohl. Ich finde dann hoffentlich einen Umgang mit den Fragen, die mich jeweils beschäftigen.

Gemeinsame Zeit mit meiner Familie ist ein seltenes Gut geworden. Zwei arbeitende Eltern und ein selbstständiger werdendes Kind in der Schule sind nicht die besten Voraussetzungen für gemeinsam verbrachte Zeit. Ich finde es auch gar nicht so einfach, eine Beschäftigung zu finden, mit der wir alle einverstanden sind.

Das große Reservoir der Gemeinsamkeit, die Gemeinschaft der Öffentlichkeit ist für mich ein ambivalentes Territorium. Ich bin unvermeidlich ein Teil davon und immer wieder davon herausgefordert, wie weit ich mich gemein machen mag (oder es einfach bin) und inwieweit ich einen anderen Weg gehe, bzw. mir eine Teilöffentlichkeit suche, in der ich einen Platz einnehmen will.

Auf der Empfindungsebene verwandle ich mich in eine kindliche Version von mir. Mein Hals zieht sich ein wie eine Schildkröte, meine Atemtätigkeit kommt fast völlig zum Erliegen und auf mein Gesicht legt sich eine freundliche Unschuldsmiene.

Ich fühle darin kaum etwas. Ganz undeutlich kann ich eine unbestimmte Furcht wahrnehmen. Wenn ich mich tiefer auf diese Furcht einlasse komme ich näher an das Empfinden, weinen zu müssen. Es entsteht eine Erregung in der Verzweiflung und Trotz mitschwingt, der Impuls wäre, mich umzudrehen und wegzulaufen.

Gemeinsam sind wir stark und Gruppen können sehr gemein sein. Ich merke, dass meine Gedanken über die Gemeinsamkeit ein wenig von Fatalismus durchzogen sind. Ich kann es nach wie vor nicht fassen, dass der Umstand, dass die allermeisten Menschen, die allermeisten Bedürfnisse gemeinsam haben, dass die Gemeinsamkeiten die Unterschiede weit übertreffen, nicht zu der Einsicht führt, dass Zusammenarbeit sinnvoll ist. Die tatsächlich geringen Unterschiede zwischen Menschen, scheinen umso wichtiger zu sein, je bewusster die Gemeinsamkeiten werden.

Meine unverdrossene Hoffnung geht dahin, dass die Einsicht wächst, dass Menschen nur gemeinsam die Zukunft auf diesem Planeten gestalten und überhaupt erst ermöglichen können. Die Hoffnung für mich ist, dass ich mit meiner „Öffentlichkeitsscheu“ souveräner umgehen lerne.

Das wäre wohl auch mein Erreichungsziel, mich nicht von den alten Gruppenerfahrungen ausbremsen zu lassen und meine Gedanken der Allgemeinheit anzubieten – Dieser Blog ist ein Schritt in diese Richtung

In der Abschlussstille bekomme ich eine Ahnung von der enormen Kraft, die eine gemeinsame Unternehmung entfalten könnte und davon, wie kraftvoll ich mich fühle, wenn ich Teil einer gemeinsamen Sache wäre.

Entscheidung – Vermeidung

Menschliches Sein ist entscheidendes Sein – so hat sinngemäß Viktor Frankl seine Menschenkunde kurz ausgedrückt.
In meinem Umgang mit mir selbst entscheide ich, was ich wann esse, wann ich ins Bett gehe, wie lange ich meditiere oder blödes Zeugs mache. Tatsächlich kann ich jede meiner Handlungen als meine Entscheidung sehen und ich versuche tatsächlich auch, das so zu sehen. Allerdings sind zahlreiche Alltagsentscheidungen in Routinen verborgen, die mir nicht immer bewusst sind. Routinen sind so gesehen Entscheidungen von gestern und vorgestern, die ich seither nicht mehr hinterfragt habe.
In meinem nahen Umfeld muss ich meine Entscheidungen verantworten. Warum habe ich jenes getan oder dieses unterlassen? Und dann gibt es das weite Feld der gemeinsamen Entscheidungssuche – z.B. was wollen wir am Wochenende kochen? Natürlich dringen auch die Entscheidungen, die ich für mich getroffen habe, in diesen Raum ein und ich muss sie dort womöglich begründen.
Im weiteren Umfeld bin ich sehr viel mehr mit Entscheidungen anderer konfrontiert und es gibt da eine Menge von Entscheidungen, die mich betreffen, an denen ich keine Mitsprache hatte und die mir nicht unbedingt gefallen. Na ja, bald ist Landtagswahl, da wird meine Stimme ein ganz klein wenig zählen.
Auf der Empfindungsebene spüre ich bei dem Begriff sofort einen Bewegungsimpuls. Mein Rumpf und Kopf gehen in eine Links-Rechts Bewegung. Das geht einher mit subtilen Gefühlen von Not, Furcht und Trauer. Ich habe Angst davor, mich falsch zu entscheiden, für meine Entscheidung beschimpft zu werden und das möchte ich auf dieser Ebene ganz bestimmt vermeiden.
Auf der kognitiven Ebene ist mir klar, dass ich ein Vermeidungsziel nicht erreichen kann.

Ich denke, dass Entscheidungen und Verantwortung sehr eng beieinander liegen. Weil es mir unmöglich ist, in die Zukunft zu sehen, weiß ich nie, was aus meiner heutigen Entscheidung wird. Wird sie zu dem führen, was ich erwarte oder wird etwas Unvorhergesehenes meine Entscheidung als ungut entlarven? Ich denke Viktor Frankl hat mit seinem Satz etwas Wichtiges ausgedrückt und während ich dies schreibe, bekomme ich Lust, mir noch mehr Gedanken dazu zu machen.
Ich hoffe natürlich, dass ich mit meinen Entscheidungen richtig liege, dass sie dahin führen, wohin ich kommen wollte. Aus Erfahrung weiß ich, dass ich nicht entscheidungsfreudig bin und verbinde das mit der Befürchtung, einen Fehler zu begehen.
Ein Erreichungsziel zu formulieren fällt mir schwer. Die ungewisse Zukunft bleibt mit Entscheidungen verbunden und ich wünsche mir vielleicht manchmal, dass ich mich leichter entscheiden könnte, aber irgendwie hätte ich dann keine Zeit mehr abzuwägen, was denn nun die sinnvollste Entscheidung sein könnte. Ein Schritt für mich wäre wohl, mir dafür keine Vorwürfe zu machen, mich in meiner häufigen Unentschiedenheit zu versöhnen, bzw. klarer unterscheiden zu können, wann ich mich aus einer alten Furcht heraus nicht traue, mich zu entscheiden und wann es situativ nicht so einfach ist.
In der Abschlussstille komme ich in Kontakt mit der großen Freiheit, die ich als entscheidender Mensch besitze – ein großes Gefühl, mit dem ich vielleicht öfter in Kontakt treten könnte, wenn ich mich mal wieder entscheiden muss.

Freiheit – Freizeit

Es hat heute eine lange Stille gebraucht, bis der Begriff „Freiheit“ aufgetaucht ist. Meine Freiheit mit mir erlebe ich vor allem in meiner Gedankenwelt, in meiner Achtsamkeit mit mir, in der ich meinen Gefühle, Impulse und Fantasien reflektieren kann. Oft ist es eine Freiheit des Träumens, wenn ich gerade frei von Terminen und Verpflichtungen bin, abends im Bett liege oder einen schönen Spaziergang mache.

Meine Beziehung habe ich frei gewählt und freiwillig Verantwortung dafür übernommen. Die Schranken, die mir die Beziehung auferlegt, nehme ich ebenfalls als selbst gewählt an. Allerdings kenne ich auch eine Begrenzung in der Konfrontation. Alte Ängste tauchen aus der Vergangenheit auf und schieben sich zwischen mich und meine/n Gesprächspartner*in. Kritik zu äußern und Forderungen zu stellen fällt mir äußerst schwer – hier muss ich für meine Freiheit kämpfen.

Die Freiheit im sozialen Kontext erlebe ich vielgestaltig. Die Kultur legt mir eine Menge von Begrenzungen in den Weg und gewährt mir andererseits etliche Freiheiten – z.B. die der Meinung, der Wahl, des Konsums usw. Ich spüre einen gewissen Überdruss, wenn ich die Parole: „Freiheit“ auf Wahlplakaten sehe und den Eindruck habe, dass es hier tatsächlich nur noch um die Freiheit des Konsums geht.

Freiheit auf der Empfindungsebene nehme ich als Ausweitung wahr. Mein Gesicht entspannt sich, meine Brust und mein Bauch wird weicher und damit einher geht ein Gefühl von stiller Freude und einer unbestimmten Zuversicht.

Meine Gedanken zum Begriff sind zahlreich. Ich habe viel dazu gelesen und gedacht. Meine augenblickliche Erkenntnis dazu ist, dass Freiheit nur in Bezug zu einer Grenze Sinn macht. Meine Freiheit ist auf Grundlagen angewiesen, die sie erst ermöglichen. Das größte Hindernis, das sich meiner Freiheit entgegenstellt sind meine Ängste vor Veränderung und vor Ausgrenzung. Die Glaubenssätze und Regeln, die ich verinnerlicht habe sind die wirkungsvollsten Ketten, die mich zurückhalten.

Meine Hoffnungen zur Freiheit gehen in Richtung der Befreiung von diesen Selbstfesselungen. Ich sehne mich danach, meine Gedanken, Wünsche und Impulse freier ausdrücken und mitteilen zu können.

Erreichen möchte ich, dass ich meine inneren Schranken leichter überwinden lerne. Sie als das sehen zu lernen, was sie sind – alte Lösungen für alte Geschichten – um dann die Freiheit der Gegenwart aufzunehmen und ebenso gegenwärtig zu handeln.

Dass ich mich öffentlich zugänglich in diesem Blog ausdrücke, betrachte ich als Schritt auf diesem Weg.

In der Abschlussstille nehme ich wahr wie gigantisch groß der Raum der Freiheit ist – unbekannt und voller Potenzial, etwas wirklich schönes und sinnvolles zu tun.

Macht – gemacht

Möge die Macht mit mir sein! – Und offenbar ist sie es, wenn der Begriff heute Morgen auftaucht. Macht mir selbst gegenüber ist ein großes Thema. Ich habe mich viele Jahre damit beschäftigt, Macht über meinen Körper und über meine Impulse zu bekommen. Ich bin einigermaßen ohnmächtig gegen meine Suchttendenzen – immer noch Raucher – und natürlich völlig ohnmächtig gegen das Altern.

Macht in meiner Familie ist ebenfalls ein gut bekanntes Thema. Eher konflikthaft in meiner Ursprungsfamilie und damit auch bei mir Zuhause. Dieselben Machtthemen, diesmal in den Rollen des Partners und des Vaters.

Die Macht im öffentlichen Raum beschäftigt mich ebenfalls häufig. Am häufigsten frustriert über dubiose Machthaber, die ihre Macht eher eigennützig missbrauchen, anstatt ihrem Mandat entsprechend den politischen Gemeinschaftsraum zu pflegen.

Körperlich empfinde ich bei dem Begriff ein wenig widersprüchliche Signale. An der Augenpartie die Tendenz wegzuschauen, die Augen zuzumachen, nicht hinsehen zu müssen. Deutlich in den Vordergrund rückt die Wahrnehmung der Brust und der Arme – eine gewisse Unrast, eine Bereitschaft, etwas zu machen.

Die Augenpartie ist mit dem Gefühl von Furcht verbunden – der Furcht eingemacht, überwältigt, gedemütigt zu werden. Die Empfindungen von Brust und Armen fühlt sich eher lustvoll und neugierig an – ich kann etwas machen und es macht Spaß, etwas zu machen.

Meine Gedanken zur Macht speisen sich aus vielen Quellen. Ich denke, dass ohne Macht nichts zu machen ist, dass aber Macht eben auch für üble Zwecke verwendet werden kann. Hilfreich finde ich die Unterscheidung von äußerer Macht, wie sie z.B. von der Polizei, einem Chef oder auch einem bewaffneten Menschen ausgeht. Die innere Macht ist einerseits die eigenen Handlungsfähigkeit und andererseits die Summe der andressierten Ge- und Verbote der Familie und der Gesellschaft. Ich finde es anspruchsvoll, mich mit diesen machtvollen Setzungen auseinanderzusetzen, um dann die lebensbejahenden Mächte zu stärken und mich von den beschränkenden, gewalttätigen Machtimpulsen zu entfernen.

Ich hoffe sehr, dass es mir gelingt, ein gutes Gleichgewicht zwischen den zahlreichen Machtthemen in mir und in der Welt zu finden. Ich merke, dass mir das gelungen ist, wenn ich mich ruhig und zufrieden fühle. Allerdings ist es ein fortlaufendes Geschäft, das nicht irgendwann einfach erledigt ist, sondern täglich und manchmal stündlich wieder neu verhandelt werden will. Meine Befürchtungen betreffen vor allem die äußeren Machtaspekte und hier im Moment die Krisensituationen, in denen Macht mit Waffengewalt erobert oder verteidigt wird.

Ich möchte gerne erreichen, dass ich den „Machtfrieden“ in mir leichter und öfter finde. Ein Schritt dahin besteht aus meiner Meditationspraxis – ich habe den Eindruck, dass es schon hilfreich ist. Ein weiteres Ziel ist, dass ich mehr Vertrauen in meine kreative Macht finden, dass ich meine Handlungsfähigkeiten in wirkliche Taten umsetzen kann.

Ich spüre jetzt die Freiheit, die jenseits meiner inneren Schranken liegt – der Freiheit, zu gestalten, mit Ausdruck zu geben, etwas zu machen.

Narri Narro

Fasnacht hat etwas Penetrantes – sie ist laut, schrill und schmutzig und offenbar in der Lage, einen Platz in meiner Stille zu finden.

In meinen persönlichen Raum habe ich schon öfter und unabhängig von der Jahreszeit, von mir gedacht, dass ich mich wie ein Narr benommen habe – närrische Hoffnungen gehegt habe, absurde Pläne geschmiedet oder tollpatschig gehandelt habe. Fasnacht gefeiert habe ich schon lange nicht mehr.

In meinem nahen Umfeld hält sich das närrische Treiben ebenfalls nicht an den Kalender. Scherze, Nonsens und Quatsch treiben wir das ganze Jahr über, auch wenn nicht alle das jeweils unbedingt witzig finden.

Mit der organisierten Narretei habe ich ein wenig Schwierigkeiten. Die Heiterkeit kommt mir oft ein wenig angestrengt vor, die Rituale wenig authentisch. Ein ganz klein wenig spüre ich allerdings auch eine gewisse Sehnsucht danach, mich hinter einer Maske zu verstecken und mich so unter die Leute zu begeben.

Die körperliche Resonanz zu „Narri Narro“ ist gering. Ich empfinde eine unspezifische Leichtigkeit, ein leichtes Lächeln kräuselt mein Gesicht, mein Kopf hat eine Tendenz zu einer wackelnden Links-Rechts-Bewegung.

Emotional fühle ich mich durchaus zu Narretei hingezogen – der Schalk sitzt nicht so sehr in meinem Nacken als vielmehr im Gesicht und den Armen. Die Stimmung ist nicht ganz eindeutig – es gibt einen heiteren Pol und einen der auch ein wenig bösartig ist, der anderen Menschen gerne die Masken abreißen würde. Ich spüre auch eine Sehnsucht danach, die Fesseln der sozialen Maske einmal abzuwerfen und mich dem berauschten Miteinander hinzugeben.

Meine Gedanken zum Thema sind ambivalent. Einerseits finde ich es eine tolle Sitte, so ein „Umkehrfest“ zu feiern. Andererseits erscheint mir die zeitgenössische Form von Narretei scheinheilig – gewissermaßen „Opium fürs Volk“, dass fünf Tage lang seinen Unmut äußern, sich über die Eliten lustig machen kann, um dann wieder in die vorgeblichen „Sachzwänge“ eingespannt zu werden.

Meine Hoffnungen bezüglich der Fasnacht sind traditionell. Mögen die Narren den Winter möglichst bald austreiben.

Erreichungsziele finde ich keine, aber die Gewohnheit, dem wilden Treiben entgehen zu wollen.

Ich fühle mich jetzt ein wenig gelassener zur Fasnacht. Ich werde vielleicht den einen oder anderen Text schreiben, der mit Nonsens die Absurditäten des Weltgeschehens bloßstellen hilft.