Der Morgen war voller Trubel und mittags fällt es mir schwerer, meine Stille zu finden. Es hat Zeit gebraucht bis die Begriffe aufgetaucht sind.
Ich kenne Standpunkte in meinem Selbsterleben und in meinem Selbstumgang. Ich nehme sozusagen einen Standpunkt, mir selbst gegenüber ein – eine geheimnisvolle Verdoppelung meines Seins. Dabei finde ich Standpunkte, die ich nicht immer verstehe, die sich aber körperlich sehr deutlich bemerkbar machen (lieber noch ein wenig liegenbleiben). Mein Verstand weiß so gut wie immer, was ich zu tun hätte (aufstehen jetzt!), aber mein empfundener Standpunkt widerspricht dem schon ab und zu. Der Umstand, dass ich einen Körper habe, versteht nicht immer, wer oder wie ich körperlich gerade bin.
Meine Standpunkte in den Beziehungen zu meinen Lieben weisen ähnliche Abweichungen auf. Nur, dass sich dabei auch ein doppeltes Standpunkt-Verständnis Problem ergeben kann. Mein körperlicher Standpunkt mag auf ein Unverständnis meiner Liebsten treffen (und v.v.), mein Verständnis ihrem Verständnis von, vielleicht der Frage nach Putzhäufigkeit. Es gibt immer wieder spannende Auseinandersetzungen um Standpunkte und Verständnisfragen.
Im Sozialen Raum staune ich über die zahlreichen Standpunkte, für die ich kein Verständnis finden kann. Ich kann zwar verstehen, dass sich über Standpunkte trefflich streiten lässt, aber mein Verständnis für solche Streitereien ist ein grundlegender Respekt für den jeweils anderen Standpunkt (auch wenn mein eigener Standpunkt gerade vor Wut kocht).
Auf der Empfindungsebene nehme ich bei beiden Begriffen eine Festigkeit wahr. Vor allem die Wirbelsäule wird deutlich spürbar (Standpunkt) und der Bereich von Nacken und Kopf (Verständnis). Die Stimmung ist eher ruhig und eine Spur von Neugier macht sich bemerkbar.
Ich denke, dass die beiden Begriffe im Spannungsfeld von Individualität und Sozialität angesiedelt sind. Für mich ein Spannungsfeld, das nicht auflösbar ist. Mein Verständnis ist ein sprachliches, durch und durch sozial geformtes Konstrukt, das sich hoffentlich eine gewisse Flexibilität bewahrt hat. Mein Standpunkt wurzelt in meiner individuellen biologischen Existenz, die mich über meine Bedürfnisse informieren kann, die nicht immer sozial kompatibel sind.
Ich hoffe sehr und strebe es auch aktiv an, dass mein Verständnisrahmen sich weiterhin ausdehnt. Verständnis für mich und für meine Mitmenschen. Meine Befürchtungen kreisen im Moment um die radikalen und vereinfachenden Standpunkte, die sich im politischen Feld lautstark breit machen.
In der Abschlussstille spüre ich ein wenig Druck auf meiner Brust, aber auch eine Art trotzige Kraft von meinem Becken her aufsteigend. Mein Verständnis bleibt Humanistisch, Universalistisch und versteht sich in diesem Fall auch als mein Standpunkt, von dem aus ich für die Werte des bekömmlichen Miteinanders eintreten werde.