Was für eine erfüllende Stille heute Morgen! Erfüllender Atem – ruhig, pulsierend einatmen und loslassen.
In meinem Selbstumgang kenne ich das unachtsame, beiläufige und routinierte Atmen, ebenso wie Atemübungen – Selbstdisziplinierung – und das achtsame Atmen. Es fällt mir leicht, Bewusstheit von meinem Atemprozess zu erlangen und dadurch auch meinen vitalen und emotionalen Zustand wahrzunehmen. Wenn ich mich einmal atemlos wahrnehme, habe ich bereits eine Brücke gefunden, über die ich wieder zu meinem Atemzentrum – meiner Lebendigkeit – zurückfinden kann.
Mit meinen Liebsten kenne ich die induzierte Atemlosigkeit der Termine, des Stundenplans, der „vergessenen“ Erledigungen und Ähnliches mehr. Die gemeinsamen Zeiten sind weniger geworden und wir haben es evtl. eilig, den anderen das Wichtigste mitzuteilen, das uns gerade am Herzen liegt. Gemeinsames ruhiges Atmen ergibt sich dadurch selten.
Im sozialen Raum erlebe ich viele und vieles als atemlos. Schneller, höher, weiter soll die soziale Performance sein – Termine, Eile und Druck wirken atemberaubend. Eine große Herausforderung für mich, mir einen eigenen Rhythmus zu bewahren.
Auf der Empfindungsebene spüre ich recht schnell eine Spannung in den Hüftgelenken – schon wieder so etwas wie Eile. Aber nach zwei bis drei Atemzügen entspannt sich dieser Bereich und ich habe den Eindruck, dass mein Körperinneres nach unten ins Becken sinkt, sich dort ausbreitet und mir eine Basis schenkt.
Die Stimmung ist sehr ruhig mit einem heiteren Unterton, ein leichtes Lächeln erobert meine Gesichtszüge.
Ich denke, dass Atembewusstheit eine meiner (der) größten Ressourcen überhaupt ist. Ich finde darüber leicht zu meinem Lebenszentrum und darüber zu meinem Standpunkt in jegliche Frage. Der Begriff „Psyche“ hat eine ursprüngliche Bedeutung von „Atemhauch“ und der Atemhauch ist ein Synonym für „Leben“. Wenn es mir gelingt, mich und meine Gesprächspartner*innen atmen zu lassen kann ein einvernehmlicher Lebensraum entstehen.
Ich kenne die Angst, nicht gehört zu werden – eine Angst, die mir den Atem raubt und dazu führen kann, dass ich vor lauter sprechen-wollen, vergesse zuzuhören. Überhaupt denke ich, dass Angst und Furcht die größten Atemräuber sind. Ich würde gerne über die Fähigkeit verfügen, zerstrittenen Parteien eine Atempause zu verordnen – ihnen die Gelegenheit verschaffen, dem jeweils anderen einfach einmal zuzuhören.
In der Abschlussstille ist meine Stimmung ernsthafter, fast ein wenig bedrückt geworden – ich vermute, dass ich bedauere, dass sich die Vermittlung des lebendigen Atmens so schwierig gestaltet.