Macht – gemacht

Möge die Macht mit mir sein! – Und offenbar ist sie es, wenn der Begriff heute Morgen auftaucht. Macht mir selbst gegenüber ist ein großes Thema. Ich habe mich viele Jahre damit beschäftigt, Macht über meinen Körper und über meine Impulse zu bekommen. Ich bin einigermaßen ohnmächtig gegen meine Suchttendenzen – immer noch Raucher – und natürlich völlig ohnmächtig gegen das Altern.

Macht in meiner Familie ist ebenfalls ein gut bekanntes Thema. Eher konflikthaft in meiner Ursprungsfamilie und damit auch bei mir Zuhause. Dieselben Machtthemen, diesmal in den Rollen des Partners und des Vaters.

Die Macht im öffentlichen Raum beschäftigt mich ebenfalls häufig. Am häufigsten frustriert über dubiose Machthaber, die ihre Macht eher eigennützig missbrauchen, anstatt ihrem Mandat entsprechend den politischen Gemeinschaftsraum zu pflegen.

Körperlich empfinde ich bei dem Begriff ein wenig widersprüchliche Signale. An der Augenpartie die Tendenz wegzuschauen, die Augen zuzumachen, nicht hinsehen zu müssen. Deutlich in den Vordergrund rückt die Wahrnehmung der Brust und der Arme – eine gewisse Unrast, eine Bereitschaft, etwas zu machen.

Die Augenpartie ist mit dem Gefühl von Furcht verbunden – der Furcht eingemacht, überwältigt, gedemütigt zu werden. Die Empfindungen von Brust und Armen fühlt sich eher lustvoll und neugierig an – ich kann etwas machen und es macht Spaß, etwas zu machen.

Meine Gedanken zur Macht speisen sich aus vielen Quellen. Ich denke, dass ohne Macht nichts zu machen ist, dass aber Macht eben auch für üble Zwecke verwendet werden kann. Hilfreich finde ich die Unterscheidung von äußerer Macht, wie sie z.B. von der Polizei, einem Chef oder auch einem bewaffneten Menschen ausgeht. Die innere Macht ist einerseits die eigenen Handlungsfähigkeit und andererseits die Summe der andressierten Ge- und Verbote der Familie und der Gesellschaft. Ich finde es anspruchsvoll, mich mit diesen machtvollen Setzungen auseinanderzusetzen, um dann die lebensbejahenden Mächte zu stärken und mich von den beschränkenden, gewalttätigen Machtimpulsen zu entfernen.

Ich hoffe sehr, dass es mir gelingt, ein gutes Gleichgewicht zwischen den zahlreichen Machtthemen in mir und in der Welt zu finden. Ich merke, dass mir das gelungen ist, wenn ich mich ruhig und zufrieden fühle. Allerdings ist es ein fortlaufendes Geschäft, das nicht irgendwann einfach erledigt ist, sondern täglich und manchmal stündlich wieder neu verhandelt werden will. Meine Befürchtungen betreffen vor allem die äußeren Machtaspekte und hier im Moment die Krisensituationen, in denen Macht mit Waffengewalt erobert oder verteidigt wird.

Ich möchte gerne erreichen, dass ich den „Machtfrieden“ in mir leichter und öfter finde. Ein Schritt dahin besteht aus meiner Meditationspraxis – ich habe den Eindruck, dass es schon hilfreich ist. Ein weiteres Ziel ist, dass ich mehr Vertrauen in meine kreative Macht finden, dass ich meine Handlungsfähigkeiten in wirkliche Taten umsetzen kann.

Ich spüre jetzt die Freiheit, die jenseits meiner inneren Schranken liegt – der Freiheit, zu gestalten, mit Ausdruck zu geben, etwas zu machen.

Narri Narro

Fasnacht hat etwas Penetrantes – sie ist laut, schrill und schmutzig und offenbar in der Lage, einen Platz in meiner Stille zu finden.

In meinen persönlichen Raum habe ich schon öfter und unabhängig von der Jahreszeit, von mir gedacht, dass ich mich wie ein Narr benommen habe – närrische Hoffnungen gehegt habe, absurde Pläne geschmiedet oder tollpatschig gehandelt habe. Fasnacht gefeiert habe ich schon lange nicht mehr.

In meinem nahen Umfeld hält sich das närrische Treiben ebenfalls nicht an den Kalender. Scherze, Nonsens und Quatsch treiben wir das ganze Jahr über, auch wenn nicht alle das jeweils unbedingt witzig finden.

Mit der organisierten Narretei habe ich ein wenig Schwierigkeiten. Die Heiterkeit kommt mir oft ein wenig angestrengt vor, die Rituale wenig authentisch. Ein ganz klein wenig spüre ich allerdings auch eine gewisse Sehnsucht danach, mich hinter einer Maske zu verstecken und mich so unter die Leute zu begeben.

Die körperliche Resonanz zu „Narri Narro“ ist gering. Ich empfinde eine unspezifische Leichtigkeit, ein leichtes Lächeln kräuselt mein Gesicht, mein Kopf hat eine Tendenz zu einer wackelnden Links-Rechts-Bewegung.

Emotional fühle ich mich durchaus zu Narretei hingezogen – der Schalk sitzt nicht so sehr in meinem Nacken als vielmehr im Gesicht und den Armen. Die Stimmung ist nicht ganz eindeutig – es gibt einen heiteren Pol und einen der auch ein wenig bösartig ist, der anderen Menschen gerne die Masken abreißen würde. Ich spüre auch eine Sehnsucht danach, die Fesseln der sozialen Maske einmal abzuwerfen und mich dem berauschten Miteinander hinzugeben.

Meine Gedanken zum Thema sind ambivalent. Einerseits finde ich es eine tolle Sitte, so ein „Umkehrfest“ zu feiern. Andererseits erscheint mir die zeitgenössische Form von Narretei scheinheilig – gewissermaßen „Opium fürs Volk“, dass fünf Tage lang seinen Unmut äußern, sich über die Eliten lustig machen kann, um dann wieder in die vorgeblichen „Sachzwänge“ eingespannt zu werden.

Meine Hoffnungen bezüglich der Fasnacht sind traditionell. Mögen die Narren den Winter möglichst bald austreiben.

Erreichungsziele finde ich keine, aber die Gewohnheit, dem wilden Treiben entgehen zu wollen.

Ich fühle mich jetzt ein wenig gelassener zur Fasnacht. Ich werde vielleicht den einen oder anderen Text schreiben, der mit Nonsens die Absurditäten des Weltgeschehens bloßstellen hilft.

„Befreite Lebensenergie“

Das Grundlagenbuch meines Lehrers David Boadella ist mir sehr wichtig, weshalb ich es auch hier vorstellen mag. Das Buch handelt von „Biosynthese“ der Schule der Körperpsychotherapie, die David begründet hat. Die meisten Schulen der Körperpsychotherapie gehen auf die Arbeit des umstrittenen Analytikers Wilhelm Reich zurück, der die Quelle der, von der Psychoanalyse formulierten Libido Energie, erforscht hat.

David schildert den Weg seiner Theoriebildung durch mehrere Jahre Arbeit und Forschung. Schritt für Schritt führt er die Leser*innen durch das Menschenbild der Biosynthese. Lange bevor prä- und perinatale Psychologie vom Mainstream der Schulwissenschaft anerkannt wurde, entwarf David ein Modell der Persönlichkeitseinflüsse, die Menschen bereits im Mutterleib und während der Geburt erfahren können.

Der Zugang zum körperseelischen Verständnis über die embryologischen Wachstums- und Differenzierungsprozesse hat sich als besonders anschaulich und hilfreich erwiesen. In den folgenden Kapiteln behandelt David verschiedene Bereiche der existenziellen Erfahrungen des Menschen mit sich und seinen Bezugspersonen. Es geht um körperlich Präsenz und deren Wandlungsformen in verschiedenen Kontexten und um die Verwendung der Sinnesorgane in Beziehungen. Die zentrale Rolle der Atmung für die Selbstwahrnehmung und Selbstaktualisierung und schließlich auch um die Aspekte der therapeutischen Kommunikation.

Die Schlusskapitel betrachten Erleben in psychischen Ausnahmezuständen und die Grenzen des Lebens überhaupt. Undogmatisch vermittelt David einige Betrachtungen zum Verständnis von Körper, Seele und Geist und schließlich auch zu den Grenzerfahrungen von Geburt und Tod.

Das Buch erschien 1987 unter dem Titel „Lifestreams“ und ist in deutscher Sprache neu aufgelegt. Für alle, die sich einen Eindruck von dieser sehr umfassenden Methode machen möchten, kann ich es nur empfehlen. Etliche Perspektiven der Biosynthese verwende ich auch in meinem Konzept von Realming.

Radikal – Wurzellos

Die sozio-kulturelle Stimmung wühlt wohl auch in den Tiefen meiner Stille.

Radikalität kenne ich im Selbstumgang sehr gut. In meiner Jugend mehr als heute, habe ich mich gerne polarisiert und versucht, mich auf die Seite des „radikal Guten“ zu stellen und das vermeintlich radikal Böse erbittert zu bekämpfen. Wenn ich mich dann selbst mit dieser „Schwarz-Weiß-Brille“ betrachte, komme ich allerdings selten gut weg, denn ich schaffe es bei weitem nicht immer, radikal gut zu mir selbst und/oder zu anderen zu sein.

In meiner Familie kenne ich so etwas wie fraglose Loyalität, die potenziell etwas Radikales in sich trägt – wer mein Lieben angreift, hat mit meinem Grimm zu rechnen.

Im weiteren gesellschaftlichen Umfeld bin ich ein radikaler Befürworter von reflexiver Verantwortung und differenzierter Betrachtung. Die hysterischen Parolen, die in der Republik und weit darüber hinaus in der Welt erschallen, sind mir ein Graus. Ich fühle mich von der Radikalität mancher Meinung so herausgefordert, dass ich meine Neigung spüre, selbst zu radikalen Formulierungen zu greifen.

Körperlich spüre ich „Radikales“ als eine Schwere auf dem Brustbein. Meine Augen- und Stirnpartie zieht sich zusammen. Diese Organisation ist wie ein Luftholen, ein Kraft sammeln für einen explosiven Ausbruch meines „heiligen Zorns“.

Ich denke, dass Radikalität Radikalität hervorruft. Da mag zunächst der Aufschrei angesichts eines unsäglichen Missstands laut werden. Im nächsten Moment gibt es jemanden, der/die vorgibt, die endgültige Lösung für den Missstand zu besitzen. „Tod allen Fanatikern!“ lautet dann die „Weisheit“ für ein wie auch immer besseres Leben. Wenn ein differenziertes Nachdenken nicht möglich ist würde ein Blick in die Geschichte lehren können, dass radikale Lösungsversuche immer zu unermesslichem Leid geführt haben.

Radikalisierung findet vielleicht dann am meisten statt, wenn sich Menschen an der Wurzel bedroht fühlen. Leider – so mein Eindruck – machen sich eher weniger radikalisierte Menschen Gedanken darüber, was denn ihre Wurzel überhaupt ausmacht – die Bio- Ökosphäre dieses Planeten z.B., ein verträgliches sozio-ökonomische Gleichgewicht z.B. oder der Umstand, dass wir als Menschen die Möglichkeit besitzen, nachzudenken, abzuwägen, zu unterscheiden, Nein sagen zu können, zu dem was Leiden zufügt.

Ich habe im Moment häufig die Befürchtung, dass die Radikalisierung überhandnimmt. Dass sie mich dazu zwingt, mich radikal selbst zu verteidigen. Ich hoffe, dass die zahlreichen bedachtsamen und differenzierten Menschen genügend Kraft und Solidarität bereitstellen, damit Probleme und Herausforderungen konstruktiv gemeistert werden können.

Ich möchte gerne etwas dazu beitragen, die Debatten zu versachlichen, Gedankenanstöße zu geben, die der Neigung zur Radikalität ihre Kraft nehmen.

In der Abschlussstille wird mir klar, dass ich radikal bleibe – ein radikaler Befürworter des Lebens, der Liebe, der Solidarität und der Weisheit.

Abgegrenzt – Ausgegrenzt

Das Grenzthema ist im Moment medial allgegenwärtig – Sei es die Flüchtlingsfrage, sei es der Respekt vor sexueller Integrität oder die Frage nach den Grenzen des Wachstums.

In meinem Umgang mit mir selbst begegnen mir Grenzen meiner Leistungsfähigkeit, die Begrenztheit meiner Zeit und immer wieder Fragen nach meiner Selbstdisziplin und wie streng diese auszulegen ist.

In meinem nahen Umfeld spielen Erwartungsgrenzen eine Rolle. Wie viel kann und darf ich von meinen Lieben erwarten, wie viel, diese von mir? Wo enttäusche ich Erwartungen – setze ein Grenze – und wo begegne ich einer Grenze? Viele Grenzverläufe haben sich quasi selbst organisiert und sind kaum konflikthaft. Erst wenn Änderungswünsche auftreten, kommen Grenzverhandlungen in Gang.

Sozial begegnen mir zahlreiche Grenzen. Meine „Bildungsausstattung“ grenzt mich von einigen Berufsfeldern aus. Mein ökonomische Ausstattung von einigen Segnungen der Kultur. Andererseits habe ich mich schon recht früh von einigen gesellschaftlichen Gepflogenheiten abgegrenzt – ich wollte kein „Spießer“ sein und somit z.B. keine Krawatten tragen.

Körperlich spüre ich beim Thema eine große Kraft vor allem auf der Körperrückseite, in den Augen und an der Stirn. Die Hüftgelenke fühlen sich etwas wackelig an und die Fußgelenke etwas zerbrechlich.

Emotional fühle ich mich zwischen Ärger und Trotz gestimmt. Mehr in der Tiefe kann ich dann auch Furcht wahrnehmen.

Ich habe mir schon viele Gedanken zum Grenzthema gemacht. Grenzen sind meiner Ansicht nach unvermeidlich, denn erst Grenzen ermöglichen Unterschiede. Grenzen definieren Räume und Grenzen müssen für einen Austausch durchlässig sein. Das Realming Modell geht explizit mit dem Grenzthema und seinen zahlreichen Variationen um. Die persönlichen und sozialen Räume, deren Grenzmarkierungen und den Austauschprozessen die über die Grenzen hinweg und durch sie hindurch stattfinden.

Ich hoffe immerzu, dass mir diese Einsicht hilft, konstruktiv mit Grenzen umzugehen. Dass ich in der Lage bin, z.B zu erkennen, wann ich ausgrenze weil ich eine diffuse Furcht empfinde. Ich habe inzwischen ein gewisses Vertrauen darin, meine Grenzen verteidigen zu können. Andererseits hoffe ich aber auch, meine Grenzen, meinen Raum und meine Präsenz noch ausweiten und erhöhen zu können. Meine Befürchtungen liegen in Richtung der Überwältigung, Demütigung und Ausgrenzung.

Meine Grenzziele leiten sich daraus ab. Ich denke, dass ich weniger Raum einnehme, als ich es könnte, weil ich der Furcht zu große Macht einräume.

Dieser Blog ist ein Schritt für mich, meinen Raum in der Öffentlichkeit zu markieren und mich darin sichtbar zu machen (die Befürchtungen, die dabei mit auftreten, muss ich tolerieren).

Sollte der Schritt erfolgreich sein, wird er große Wirkungen auf meine Zeiträume in allen Lebensbereichen haben.

Ich fühle mich jetzt gestärkt und ermutigt, diesen Weg weiter zu gehen.