Erkennen – Anerkennen

Ich vermute, es hat mit einem kurzen Anfall von Betrübnis über meine mangelnden Kenntnisse zu tun, dass heute dieser Begriff aus der Stille auftaucht.

Ich halte mir einiges zugute, was meine Selbsterkenntnis angeht. Wenn ich allerdings ein wenig tiefer schürfe, finde ich dort auch immer einige Spuren, die ich zwar erkennen könnte, die anzuerkennen mir aber nicht so leicht fällt. Ich mache mir auch sehr gerne Gedanken zu Erkenntnissen über die Welt und die Menschen darin. In der Regel profitiere ich dabei von fremden Erkenntnissen, die ich dann darauf überprüfen kann, ob ich sie anerkennen kann oder will – ein endloses Spiel.

In den Beziehungen zu meinen Liebsten stehe ich immer wieder vor der Herausforderung, anerkennen zu müssen, dass ich sie nicht ganz richtig erkannt habe und muss auch mit dem Frust umgehen, dass ich mich mitunter auch nicht anerkannt, bzw. nicht erkannt fühle. Das liefert eine Menge Gesprächsstoff.

Die sozialen Felder stellen für mich schon immer eine besondere Herausforderung dar. Was ich dort erkenne, bzw. zu erkennen glaube, treibt mich tendenziell zur Verzweiflung – nicht mehr ganz so schlimm, wie es schon war, aber immer noch, immer wieder mal. Sozialität als quasi eigenständige Realität anzuerkennen fällt mir inzwischen leichter, was dabei herauskommt gefällt mir deutlich seltener.

Auf der Empfindungseben spüre ich fast sofort meine Stirn besonders deutlich. Eine kugelige Empfindung von Wärme oberhalb meiner Nasenwurzel. Dann breitet sich die Empfindung in die Augen hinein aus und eine Verbindung zum Rumpf hin öffnet sich.

Die Gefühle dabei sind sehr subtil. Zunächst die Spur eines Lächelns, zwischen Freude und Zufriedenheit, dann aber auch so etwas wie Misstrauen und Zweifel, die kurz darauf fühlbar werden.

Ich denke, dass Erkennen mit Empfindung beginnt – an den Kontaktstellen, den Sinneszellen meines Körpers zur inneren und äußeren Welt. Für diese Empfindungen habe ich Worte erlernt, mit denen ich diese Erfahrungen in den Zeitfluss einordnen kann, mit denen ich Erklärungen für die Erfahrungen erfinden kann, die dann zu einem Erkennen führen können. Bis hierher ist das noch subjektives Erkennen in sozialen Bedeutungsfeldern. Einen „Erkenntniskick“ erlebe ich dann, wenn ich denke, glaube, zu wissen meine, dass eine Erkenntnis über mich und meine Kultur hinaus gültig ist.

Meine Hoffnungen gehen dahin, dass meine Erkenntnisse zutreffend und den Situationen angemessen sind. Leider ist das nicht so leicht positiv festzustellen. Meine Befürchtungen sind entsprechend, dass ich mich auch täuschen könnte, dass ich auf falsche Erkenntnisse gesetzt habe.

Mit einer Art produktiver Skepsis versuche ich meinen Erfahrungsraum offen genug zu halten, so dass mir Unbekanntes begegnen kann und ich mich dabei gleichzeitig auf einem festen Boden bewährter Erkenntnisse befinde. So kann bestenfalls zwischen mir und dem Unbekannten etwas Neues entstehen, das mich mit neuen Erkenntnissen beglücken kann.

Die Abschlussstille ist unspektakulär. Es herrscht nur tiefe, tiefe Stille.

Ruhe – beruhigt

Der heutige Begriff ist ein Geschenk der Stille des Waldes, den mir gestern beim Spaziergang die Vögel zu gezwitschert haben.

Ruhe in und mit mir selbst finde ich, mehr oder weniger leicht, in der Meditation – und dafür musste ich lange üben. Diese Ruhe ist nicht immer still, aber anstatt zwischen den Inhalten meines Bewusstseins, meiner Empfindungen und meinen Gefühlen hin- und her zu zappeln, finde ich mich in einer Art Zentrum, das von all diesen Phänomenen umkreist wird. Mein Lieblingsruheplatz ist aber eindeutig mein Bett.

Sehr viel seltener sind Momente der Ruhe mit meiner/n Liebsten. Das Timing ist alles andere als einfach zu koordinieren. Wenn wir aber Zeiten der gemeinsamen Ruhe erleben ist das unbeschreiblich schön und erfüllend.

Ruhe im sozialen Feld scheint mir bis auf weiteres nicht erwartbar – je weiter ich hinaus schaue, umso unruhiger und hektischer erscheint mir die Erregungslage. Nur im näheren Umfeld gibt es kleine Lichtblicke der Beruhigung.

Wenn ich nach meinen Körpersignalen forsche stellt sich zunächst eine kleine Entspannung der Schultern ein, die Ausatmung vertieft sich etwas und ich spüre, dass ich mich ziemlich erschöpft fühle.

Emotional komme ich in Kontakt mit einer tiefen Traurigkeit, die ich schon seit meiner Kindheit kenne – ein guter Grund, möglichst nicht zur Ruhe zu kommen.

Ich denke, dass Ruhe ein Ergänzungspol von Aktivität ist – sie kann in Richtung Lethargie oder in Richtung Hektik verzerrt erscheinen und natürlich auch biografisch belastet sein.

Meine Hoffnungen und Wünsche zur Ruhe sind sehr persönlich – der Wunsch in den Arm genommen zu werden und durch diesen Halt beruhigt, zur Ruhe kommen zu dürfen. Ich kenne allerdings auch die Befürchtung vor der „falschen Ruhe“ – die vorgibt, alles sei gut und Protestaktivität sei nicht nötig – da ist es bei mir mit der Ruhe vorbei.

Erreichen möchte ich gerne, dass der Ruhezustand mir noch leichter zugänglich wird, dass meine hektischen Impulse sich an den Boden von Vertrauen erinnern, der inzwischen in mir und in meinen wichtigen Beziehungen gewachsen ist.

Die tägliche Übung dazu ist mein freundlich, neugieriger Zeuge, der es wahrnehmen kann, wenn die Wellen der Hektik und Erregung wieder höher schlagen.

In der Abschlussstille bemerke ich vor allem das Lächeln in meinem Gesicht – ich würde es als eine Art stiller Friedlichkeit umschreiben – sehr beruhigend!

Tatsachen – tatsächlich

Heute habe ich die Tatsachen mit in die Stille genommen, gewissermaßen als Fortsetzung der Wahrheiten.

In meinem Raum mit mir selbst bin ich mir selbst eine Tatsache – ich habe mich gewissermaßen als Sache, mit der ich etwas tun kann – es gibt mich tatsächlich! Ich, als objektiv vorhandener Mensch (als Sache), kann objektive Handlungen an mir vornehmen – z.B. mich mit einem hübschen Tattoo verschönern (tun). Mit den Grenzen des möglichen Tuns muss ich mich dann abfinden.

In meinem nahen Beziehungsraum muss ich mich mit der Tatsache abfinden, dass meine Lieben nicht immer dasselbe tun wollen wie ich, bzw. auch nicht tun wollen, was ich will, dass sie es tun sollten – tatsächlich manchmal etwas frustig.

Im weiteren sozialen Raum staune ich über die Verwirrungen, die es zum Thema Tatsachen und Wahrheiten zu finden gibt. Natürlich gibt es verschiedene Ansichten dazu, wie man mit Tatsachen umgehen kann, bzw. welche Wahrheiten sich aus wahren oder vorgeblich wahren (also erlogenen) Tatsachen ableiten lassen. „Tatsachen sind die Feinde der Wahrheit“

Auf der Empfindungsebene tritt die Wahrnehmung meiner Beine und meines Beckens stark in den Vordergrund der Wahrnehmung. Beides fühlt sich kraftvoll und stabil an. Die Stimmung geht dabei in Richtung Zuversicht und Vertrauen und wenn ich länger mit der „Tatsache“ in Verbindung bleibe breiten sich die Empfindungen von Kraft und das Gefühl von Zuversicht weiter in den Rücken und in die Arme hinein aus.

Ich denke, dass der Unterschied zwischen einer Tatsache und dem Begriff, der für sie verwendet wird oft verwischt ist. Das ist ein gut bekanntes philosophisches Problem, dass wir die Tatsachen mit dem Begriff quasi verdoppeln. Der Stein, über den ich spreche, kann ich überall mit hinnehmen – wenn das allerdings ein großer Stein ist, wird er dabei immer an seinem Platz bleiben. Tatsachen bezeichnen Sachen, mit denen man wahrhaftig etwas tun kann – tatsächlich als Steinmetz eine Figur herstellen z.B. Was dann anderswo über diese Figur erzählt wird, entspricht nicht unbedingt der Wahrheit der Tatsache.

Meine Hoffnung geht dahin, dass ich gut genug einschätzen kann, was ich mit einer Sache tun kann und wo die Grenzen meiner Möglichkeiten liegen. Meine Befürchtung wäre, dass ich Tatsachen über- oder unterschätze und in Größen- oder Kleinheitswahn meine Möglichkeiten nicht wahrnehme oder überschätze.

Ich möchte erreichen, dass ich die Tatsachen mit passendem Abstand betrachte, die angemessene Wahrheit für sie finden und formulieren kann, dass ich mich nicht von den Tatsachen überrollen lassen und sie mir nah genug bleiben, dass ich dann etwas mit ihnen tun kann, wenn sie mich etwas angehen.

In der Abschlussstille breitet sich überraschend die Tatsache meines Lebendigkeit aus – ich fühle mich gleichzeitig kraftvoll und weich.

Wahrheit – Gewahr

Meine Stille schenkt mir heute einen anspruchsvollen Begriff. Die Wahrheit in meinem Selbstraum ist zunächst einmal meine Wahrheit. Meine (gerade) gültige Sichtweise meiner Wirklichkeit wie ich sie wahrnehme. So wie ich mich kenne würde ich sagen, dass meine Wahrheit von mir mitunter ein wenig schön gefärbt wird – die Wahrheit in Wahrheit also eine aufgehübschte Version meiner Wirklichkeit darstellt.

Solche Manöver scheitern grandios mit meiner Liebsten. Unsere Wahrheit entsteht in unseren Gesprächen über unsere Wirklichkeit, bzw. über unsere jeweiligen persönlichen Wahrheiten. Das fühlt sich mitunter unbequem an, wenn meine aufgehübschten Positionen an ihrer Wahrnehmung scheitern. Letztlich gewinne ich (und wir) aber dabei, wenn wir wieder ein Stück gemeinsame Wahrheit hergestellt haben.

Im sozialen Raum nehme ich im Moment einen Wettkampf um die Wahrheit wahr. Alle möglichen Gruppierungen und Parteien möchten etwas über die WAHRHEIT erzählen, in der festen Überzeugung, dass sie die Wahrheit gepachtet hätten und dass die anderen Wahrheiten natürlich Unsinn sind. Ich fühle mich öfters mehr als leicht genervt darüber.

Auf der Empfindungsebene sammelt sich meine Aufmerksamkeit im Becken und den Hüftgelenken. Meine Atmung wird flacher, meine Augenbewegungen nehmen zu.

Emotional ist das von einer unbestimmten Ängstlichkeit begleitet (auf einer Metaebene bin ich überrascht von diesen Wahrnehmungen).

Ich denke, dass Wahrheit ein sehr vielseitig verwendbarer Begriff ist. Von der axiomatisch, formalen Wahrheit (x = x), über die Aussagenlogik: „Eine Aussage wie: „Es regnet.“ Ist dann wahr, wenn es draußen regnet. Bis zur Wahrheit entsprechend verschiedener Wirklichkeitsräume – meine Gedanken sind wahr, aber von einer anderen Art von Wahrheit, als wenn ich diese Gedanken jetzt hier niederschreibe. Wenn meine Gedanken dann von mehreren Menschen gelesen und diskutiert werden ergibt sich eine neue Art von Wahrheit. Ein und dieselbe Wirklichkeit – z.B. eine Million Flüchtlinge in Deutschland – ergibt eine Fülle von möglichen Wahrheiten über diese Tatsache.

Ich hoffe sehr, dass meine Wahrheiten nicht zu sehr von den Tatsachen abweichen, bzw. die Aspekte der Tatsachen berücksichtigen die auch tatsächlich relevant für mich sind. Ich erhoffe mir auch den Mut, für meine Wahrheiten einzustehen, gerade im sozialen Raum, in dem so viel Schindluder mit diesem Begriff betrieben wird. Meine Befürchtung ist, dass sich zu viele Menschen von vermeintlich „einfachen Wahrheiten“ einfangen lassen und diese einfachen Wahrheiten dann zum Anlass für einfach nur dumme Handlungen nehmen.

Ich erstrebe eine ständige kritische Distanz zu allen Wahrheiten, die mir begegnen – kritisch im Sinne von unterscheidend zwischen verschiedenen Perspektiven.

In der Abschlussstille macht sich wieder mein Becken bemerkbar. Jetzt mehr mit der Rückseite und von dort nehme ich eine Kraft wahr, die mir helfen will für meine Wahrheit einzustehen.

Mögen – möglich

Das war eine turbulente Stille heute Morgen. Es tauchten diverse Themen auf, über die ich gerne bei anderer Gelegenheit schreiben werde.

In meinem Selbstumgang habe ich eine lange Geschichte mit der Frage, was ich an mir mag und was eher nicht. Inzwischen habe ich viel Einverständnis mit mir gewonnen und kann sagen, ich mag mich und bin im Frieden mit meinem Geschmack und meistens auch mit meinen Möglichkeiten.

Mit meinen Lieben erlebe ich immer wieder Situationen, in denen ich etwas nicht so mag und es ist mir meistens möglich, entweder tolerant zu sein oder ein Gespräch zu suchen um Verständnis zu finden oder eine Veränderung zu bewirken.

In den größeren sozialen Feldern finde ich die Herausforderungen größer. Hier finde ich vieles, was ich nicht mag und stehe vor zahlreichen Themen, in denen ich kaum Handlungsmöglichkeiten für mich sehe. In meinen Gruppen erlebe ich allerdings immer wieder, wie sehr ich es mag, wenn die Teilnehmer*innen ihre Möglichkeiten entdecken.

Auf der Empfindungsebene ist dieses Thema unspektakulär. Es kehrt Ruhe ein und auf mein Gesicht legt sich so etwas wie Buddha Lächeln.

Das Gefühlsspektrum hat Aspekte von Frieden, Behagen und Freundlichkeit.

Ich denke, dass „Mögen“ ein hilfreicher Hinweis für die persönliche Orientierung ist. Was auch immer jemand mag, kann ihn/sie auf den Weg zu Wohlbehagen und Frieden mit der Welt führen. Die Fragen, ob das was ich mag dann auch möglich ist und ob es meinem authentischen Selbst entspringt, sind nicht immer leicht zu beantworten. Ich denke auch, dass es das einfache Mögen des Bekannten und Vertrauten gibt – etwas Fremdes mag ich möglicherweise eher nicht. Dann wird Mögen tendenziell zu einem behaglichen Gefängnis der Möglichkeiten. Die Frage, warum ich mag, was ich mag, wird dann zur Möglichkeit, neue Möglichkeiten des Mögens zu entdecken.

Hier finden sich auch meine Hoffnungen und Befürchtungen zum Thema. Ich hoffe sehr, dass ich meinem jeweiligen Mögen vertrauen kann und befürchte mitunter, dass mir authentischer Selbstkontakt auch einmal nicht möglich sein kann.

Mein Erreichungsziel geht dahin, dass ich mir und dem was ich mag treu bleiben werde. Dass ich immer wieder den Mut finde, zu mir zu stehen und meinem „Ja“ zu vertrauen.

Die Schritte dahin bestehen immer wieder daraus, mir eine Pause zu nehmen, nachzuspüren und nachzudenken, bevor ich mich handelnd entscheide.

In der Abschlussstille empfinde ich eine große Gelassenheit und eine Offenheit für die unendlichen Möglichkeiten, des mögen Könnens.