Ein momentan fast allgegenwärtiges Thema – der Umgang mit dem/den Fremden.
Ich erlebe manchmal noch Selbstfremdheit – überraschende Assoziationen oder Impulse, die ich nicht auf Anhieb in mein „Selbstkonzept“ integrieren kann. Bei genauerem Überprüfen, kann ich allerdings meistens den biografischen Bezug herstellen. Manchmal wünsche ich mir geradezu, mich wieder einmal von mir selbst überraschen zu lassen.
Mit meinen Liebsten erlebe ich so etwas wie Vertrautheit mit den Fremden. Ich kenne meine Liebsten schon lange und vermutlich auch ganz gut. Aber natürlich habe ich keinen Zugang zu ihrer Erlebnisperspektive und deshalb werde ich auch immer wieder überrascht. Es war und ist immer wieder eine Herausforderung, meine Vorstellungen von meinen Lieben zu ergänzen, zu überarbeiten und anzupassen.
Im sozialen Feld ist Fremdheit für mich eher die Norm, als die Abweichung. Von den allermeisten Menschen, die ich Tag für Tag sehe, habe ich keine Ahnung. Ich kenne nicht ihre Vorlieben oder Abneigungen, ihre politische Haltung oder gar ihre heimlichen Wünsche. Meine Herausforderung sehe ich darin, meinen Projektionen, die automatisch einsetzen, nicht auf den Leim zu gehen. Mir immer wieder bewusst zu machen, dass jeder einzelne dieser Menschen eben in seiner/ihrer Welt lebt und dass mein Respekt vor dieser Welt erst eine Verständigung, die ihren Namen verdient, ermöglicht.
Auf der Empfindungseben nehme ich nur wahr, dass mein Kopf sich etwas nach vorne bewegt. Es ist, als ob der Raum vor mir zu meiner Körpersphäre zählen würde. Die Stimmung ist ruhig und liegt zwischen Neugier und Vorsicht.
Ich denke, dass das Fremde ein Bereich persönlichen Wachstums bietet. Wenn es gelingt, nicht nur das Eigene im Fremden zu sehen, sondern tatsächlich das Andere, mir unbekannte, dann habe ich tatsächlich die Chance, einen neuen Blickwinkel kennenzulernen, eine neue Erfahrung zu machen, mein Eigenes zu erweitern.
Es gibt Fremdes, das mir spontan Misstrauen und Furcht einflößt – vor allem fremde Menschen, die ich nicht einschätzen kann, aber auch fremde Orte, an denen ich mich nicht auskenne, wo ich nicht weiß, was auf mich zukommen kann. Ich kenne auch den Vermeidungsimpuls, dem Fremden lieber aus dem Weg zu gehen, mich keinem Risiko auszusetzen.
Meine Hoffnungen gehen für mich dahin, immer wieder den Mut in mir zu finden, mich auf das Neue und Fremde einlassen zu können – diese Wachstumschancen für mich nutzen zu können. Mein Ziel ist entsprechend, mehr Offenheit zu wagen, neue Sichtweisen zu riskieren und meine Sicht nicht zu überbewerten.
In der Abschlussstille entsteht ein Gefühl von heiterer Gelassenheit. Ich nehme den Raum um mich her wahr und habe den Eindruck, dass überall an den Grenzen dieses Raums kleine, fröhliche Lichter leuchten.