Die Weihnachtspause ist vorüber, das neue Jahr hat begonnen. Aus meiner Stille tauchen die Begriffe „Neu“ und „Beginn“ auf.
Ist ein Jahreswechsel ein Neu-Beginn? In meinem Leben mit mir kenne ich die Übergänge, das Vergehen von Altem, das Auftauchen von neuem, das aber immer irgendwie auch mit dem Alten verbunden ist. Vielleicht kann ich aber auch das Neue nicht erkennen, weil ich es nur mit meinen „alten“ Augen sehen kann? Wirklich qualitativ neu sind Diagnosen einer Krankheit, die es vorher noch nicht gab, vielleicht Unfälle, unvorhergesehen Begegnungen, durchaus auch Glücksfälle. Ich merke, dass es mir lieber ist, wenn nicht allzu viel Neues in meinem Leben auftaucht.
Ebenso in meinen nahen Beziehungen. Es gibt die unvermeidlichen Übergänge und die liebgewordenen Routinen – ob Neu-Beginn hier wirklich etwas Besseres bringen kann? Auch hier kostet es mich Mut, immer wieder zu versuchen, neu auf meine Beziehungen zu schauen, um nicht in den Routinen zu versinken.
Im sozialen Leben bin ich mittelbar von den Kölner Silvester Vorgängen berührt. Ich vermute, dass hier etwas Neues beginnt, bzw. dass etwas, was es schon immer gab, als neue Qualität verkauft wird. Gibt es im sozialen Raum qualitativ Neues? Flüchtlinge in großer Zahl? Sexualisierte Gewalt von Männerhorden? Gesetze und Verordnungen, die die Bevölkerung schützen sollen? Nichts davon kommt mir wirklich neu vor – neu wäre allenfalls, dass mir die mediale Verarbeitung des Themas noch plakativer und undifferenzierter als sonst vorkommt.
Meine Körperempfindungen zum Thema sind sehr unspezifisch. Ich spüre so etwas wie eine subtile Zurückhaltung, eine Empfindung von Schwäche vor allem in den Hüft- und Schultergelenken.
Emotional fühle ich mich auf der Kippe zwischen fröhliche „Au Ja“ und einem gewissen Misstrauen, in dem auch Ängstlichkeit mitschwingt.
Meine Gedanken zum Neu-Beginn sind skeptisch eingefärbt. Ab wann kann etwas wirklich „neu“ genannt werden? Dass es Neues gibt – z.B. technische Geräte oder Entdeckungen aller Art – möchte ich nicht bezweifeln. Ich suche nach den Unterschieden des qualitativ Neuen, das auch eine Art Beginn bedeutet und dem eher quantitativ Neuen, das einfach nur mehr vom Altbekannten produziert. Ich merke, dass es nicht so einfach ist, hier Unterscheidungen zu treffen. Ich misstraue meinen sozial-dressierten Denkweisen, was solche Zuordnungen angeht. Ich sehe auch die neurologisch bedingte „Angewohnheit“, Neues zunächst einmal mit Altem zu verbinden, die Notwendigkeit, dass ich auch lernen muss, neu zu sehen um das Neue wirklich erkennen zu können – wirklich schwierige Gedanken.
Mein größte Hoffnung ist, dass Menschen bereit werden, sich selbst und ihren Umgang miteinander in einem neuen Licht zu sehen – dass sie beginnen, die Absurdität zu erkennen, was es bedeutet, sich auf einem einzigen Planeten um die Ressourcen zu streiten, anstatt dessen Reichtum, so gerecht wie möglich, allen zukommen zu lassen. Meine Ängste gehen dahin, dass diese alt-neue Einsicht nicht genügend Zeit bekommen wird, um sich zu entwickeln. Für den Rahmen meiner persönlichen Möglichkeiten hoffe ich, dass mein Lebensstil genügend verantwortungsbewusst ist und hoffentlich nicht dazu beiträgt, dass alles, immer noch schlimmer wird.
Erreichen möchte ich am liebsten, dass ich mich traue, mit meinen Ideen nach außen zu treten, Mitstreiter*innen zu finden, die an einer neuen Idee mitdenken möchten. Der heutige Beitrag ist vielleicht ein schon ein Schritt dahin.
Wenn ich diesen neuen Weg weiterginge, würde sich mein Leben wohl in allen Bereichen ziemlich verändern. Falls der Funke beginnen würde aufzuglühen, würde er Zeit und Atem von mir brauchen, würde ich Zeit und Atem aufbringen wollen, um die Idee am Leben zu erhalten und weiter zu verbreiten.
Aus meiner Abschlussstille höre ich laut und deutlich ein „Ja“.
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