Dem Erfolg folgen

Erfolgreich-Sein ist ein Credo der modernen/postmodernen Zeit in der westlichen Kultur. Erfolg ist auch ein individuell erlebter Zustandsmoment im Fluss der Lebenszeit.
Mit mir selbst erlebe ich Erfolg, wenn ich meine, mir selbst auferlegte, Disziplin aufbringe und täglich meditiere, meine Körperübungen mache und meinen Genussmittelverbrauch einschränke.
In meinem familiären Kontext finde ich Erfolgserlebnisse, wenn es mir gelingt, mich auf meine Liebste und/oder meine Tochter einzuschwingen und Momente der Gemeinsamkeit mit ihnen erlebe.
Im sozialen Kontext bedeutet für mich Erfolg Zugehörigkeit, Anerkennung und finanzieller Gewinn.
Die Misserfolge sind in allen Fällen die Gelegenheiten, in denen es mir nicht gelingt, diese Momente zu erreichen.
Körperlich spüre ich Erfolgsmomente als eine Aufrichtung der Wirbelsäule. Ich bekomme besser Luft, denn die Rippenmuskulatur entspannt sich und ein Lächeln legt sich auf mein Gesicht.
Emotional fühle ich Zufriedenheit, Stolz und Zuversicht.
Ich denke, dass Erfolge mindesten drei Bewertungsebenen haben. Am tiefsten die biologisch existenzielle, die Erfolge nach erreichter Sicherheit, sicherer Bindung und sozialer Akzeptanz bewertet. Weiter die intrinsische Motivation, das, was mir ganz persönlich am wichtigsten erscheint. Diese inneren Bewertungen begegnen einer sozio-kulturellen Bewertung, einer Bewertung, die den Gezeitenströmen des Zeitgeistes und der sozialen Realität unterworfen ist. Hier liegt meiner Ansicht nach auch ein Konfliktpotenzial, wenn die intrinsischen Motive sich gegen soziale Normen behaupten müssen – mir ist ein solcher Konflikt jedenfalls sehr vertraut.
Ich würde gerne erreichen, dass meine selbstgewählten Ziele zu den sozialen Vorgaben passen würden, bzw. dass es mir gelänge, die Menschen zu erreichen, die meinen Zielen ebenfalls etwas abgewinnen könnten.
Meine Hoffnung ist, dass meine Ziele so attraktiv sind, dass andere Menschen sie teilen könnten. Dabei befürchte ich aber, dass der soziale Druck auf mich so groß wird, dass ich meine Ziele aufgeben müsste.
Ein Schritt in Richtung meines möglichen Erfolgs ist immer wieder, mich zu zeigen, meine Gedanken und Zielvorstellungen anderen mitzuteilen, um überhaupt eine Chance zu haben, Erfolg erleben zu können.
Ich denke, dass Erfolg in einem Kontext durchaus auf die anderen Kontexte günstig wirkt. Mein sozialer Erfolg würde mich auch in meiner Selbstdisziplin anspornen, mich milder gegenüber meiner Tochter stimmen und mir Gelegenheiten schenken, Zeit mit meiner Liebsten zu verbringen.

Mit Gefühl – mitgefühlt

Mitgefühl oder Empathie ist eine häufig geforderte und gewünschte Fähigkeit, bzw. Tugend. Mitgefühl ist nicht gleich Mitleid und ich denke, dass Mitgefühl von der Ergänzungstugenden Abgrenzung und Wahrhaftigkeit profitiert.
Mitgefühl mit mir selbst ist eine immer wieder neue Herausforderung. Wenn ich etwas nicht so hinbekomme, wie ich es mir gedacht habe, wenn ich etwas trotz Vorsatz nicht geschafft habe oder auch etwas geschafft habe, was ich eigentlich nicht schaffen wollte. Leichter fällt mir das mitfühlen mit meiner Liebsten. Allerdings gibt es auch hier Gelegenheiten, bei denen ich eher gereizt als mitfühlend reagiere. Im sozialen Kontext fällt mir Mitgefühl am leichtesten, vor allem wenn eine „leidende Gruppe“ relativ weit weg ist. In einer konkreten Gruppe, in der ich teilhabe, ist das dann schon wieder schwieriger.
Körperlich fühlt sich Mitgefühl toll an. Mein ganzer Körper wird weicher, mein Puls und meine Atmung beruhigen sich und mein Gesicht entspannt sich. Emotional bin ich von Liebe und Zuversicht erfüllt, auch wenn ich die Not eines anderen gut wahrnehmen kann. Kognitiv befinde ich mich dann auf einer sehr abstrakten Ebene, von der aus ich die Relativität der Phänomene betrachten und akzeptieren kann.
Diesen Zustand von Mitgefühl möchte ich möglichst häufig erreichen und ich versuche zumindest, ihn ständig zu üben. Leider kann ich es nicht vermeiden, auch immer wieder in andere Zustände zurück zu fallen – in egoistischen Neid, in konformistische Parolen oder in besserwisserische Expertenkenntnisse. Dann ist wieder mein Selbstmitgefühl gefordert, mich dafür nicht zu verurteilen.
Meine Hoffnungen gehen dahin, dass ich die Zeitspannen des Mitgefühls ausweiten kann und dass meine Mitgefühlspraxis ein wenig auf meine Mitmenschen ausstrahlt. Ängste kann ich dann finden, wenn es mir trotz Anstrengung, nicht gelingt das Mitgefühl in mir zu finden. Es ist eine etwas diffuse Angst, die mit ebenso diffusem (Welt)Schmerz vermischt ist – ich beginne dann selbst zu Leiden, in Selbstmitleid abzurutschen.
Ich arbeite inzwischen konkret an meinen Fähigkeiten des Mitfühlens. Regelmäßige Meditation und Versuche, auch unsympathischen Menschen mitfühlend zu begegnen. Wenn es mir gelingt, einen unsympathischen Nachbarn freundlich zu grüßen, fühlt sich das gut für mich an – spätestens wenn ich dann hören muss, dass er mich wieder beschimpft, wird die Herausforderung größer. Meine Fortschritte marschieren nicht gerade, aber ich denke, ich komme auch mit kleinen Schritten voran.

Gedanken zum Asyl

Asyl
Die Berichterstattung über die große Anzahl von Asylbewerber*innen überflutet auch meinen medialen Alltag. Bis gestern habe ich noch keine*n persönlich kennengelernt und in meinen Alltag sind noch keine Flüchtlinge aufgetaucht.
Mit meiner Liebsten habe ich schon öfter darüber gesprochen, dass wir gerne etwas tun würden, um diesen notleidenden Menschen zu helfen und wir sammeln jetzt immerhin schon Infos, wo man sich wie einbringen kann.
Das ist jetzt das soziale Projekt, die Menschen dabei zu unterstützen, Deutsch zu lernen.
Wenn ich mit dem Thema in meine Körpersphäre spüre, empfinde ich einen Druck, der von vorne auf meinen Oberkörper und meinen Kopf wirkt. Ich assoziiere das mit Überwältigung und einer Ahnung von Hilflosigkeit, die bis zur Ohnmacht reichen könnte.
Emotional steht im Vordergrund die Trauer darüber, dass so viele Menschen ihre Heimat aufgeben mussten – und im zweiten Nachspüren auch wieder Zorn auf die Menschen, die mit ihren Gewaltakten diese Menschen entwurzeln.
Ich denke, dass es die Menschlichkeit gebietet, Asyl zu gewähren und weiter, dass es nicht damit getan ist, ein paar Zelte hinzustellen oder Lager bereit zu machen, in denen die Menschen dann „aufgefangen“ werden. Ich denke, dass ich ebenfalls dazu aufgerufen bin, aus meiner Passivität zu erwachen.
Wenn ich tatsächlich erreichen könnte, einen gewissen Zeitaufwand für die Unterstützung der Asylant*innen aufzubringen, wäre das auch ein Erfolg für mich – Zeit, die ich sinnvoll verbrächte. Ich wäre ungern in der Position des Klagens über die Umstände und des Versagens der Behörden und säße dabei bequem auf meinem Sofa.
Für wünschenswert halte ich, dass die Volksvertreter*innen, vom Gemeinderat bis zum Präsidenten, Klartext sprechen würden – nicht polarisierend oder dramatisierend, aber ihren Wähler*innen die Wahrheit zuzumuten, dass es einen langen Atem braucht, bis diese Herausforderung halbwegs gemeistert wird. Dass in der Situation sowohl Chancen als auch Risiken liegen, dass Integration vor allem Kontakt und Kommunikation braucht. Ich fürchte die radikalen „kommt doch alle zu uns“ Protagonist*innen ebenso wie die radikalen „bleibt wo ihr herkommt“ Rufer*innen.
Ein Schritt für mich wäre es, meinen Plan umzusetzen und im Laufe der nächsten Wochen einen Tandem-Sprach-Kontakt aufzubauen. Ich vermute, dass ich mich dadurch bereichert fühlen würde – Kontakt zu einer anderen Kultur, einer anderen Sprache, einer anderen Sozialisation. Sicher wird es eine Herausforderung für meine Vorurteile gegen dunkelhäutige Menschen, gegen Kopftuchträgerinnen, gegen Menschen, die eine andere Distanz als ich bevorzugen.
Ach ja und dann noch der andere Glaube – Gott ist, was man daraus macht!

UNO Vollversammlung 2015

UNO Vollversammlung 2015

Milleniumsziele und Ringen mit dem IS stehen auf der Agenda. Beide Themen berühren meinen Alltag nicht tatsächlich, bzw. allenfalls beim Nachrichtenkonsum in Zeitschrift und TV. Mit meiner Liebsten diskutieren ich diese Themen auch eher selten und in meinem Berufsalltag kommen sie so gut wie gar nicht vor.

Wenn ich tiefer in mein Körperbewusstsein eintauche spüre ich schnell einen wachsenden Druck von innen auf die Augen. Ich kann die Tränen von Trauer und Zorn damit identifizieren. Die Trauer ordne ich der gewaltigen Ungerechtigkeit zu, die auch siebzig Jahre nach Gründung dieser beinahe globalen Vereinigung, noch auf der Erde herrscht. Den Zorn vermache ich den zahlreichen polititschen und wirtschaftlichen Eliten, die aktiv oder passiv verhindern, dass Menschenrechte geachtet werden.

Die UNO und die große Politik befinden sich weit außerhalb meines persönlichen Einflusses – mit dieser gefühlten Ohnmacht, muss ich fertig werden. Aber, meine Ansicht öffentlich zu machen, ist vielleicht ein kleiner Beitrag für eine kleine Änderung. Und in meinem persönlichen Umfeld, meine Meinung zu vertreten und selbst dem Motto des „Global Denkens und Lokal Handelns“ zu folgen.

Angesichts des herrschenden „Kapitalistischen Wachstums Paradigmas“ befürchte ich schlimmstes für die Erde und ihre Bewohner. Auch der Blick auf die versammelten Staats- und Regierungschefs und Chefinnen flößt mir wenig Zutrauen ein.

Was könnte ich als Zeichen der Hoffnung und des Fortschritts deuten? Eine gemeinsame Front gegen den IS? – da wird mir eher schlecht. Chinas Großspende an Entwicklungsländer? – ich bin da etwas misstrauisch. Angela Merkels Propaganda für Asyl? – auch wenn es mir schwer fällt, das gefällt mir ein wenig.

Letzteres könnte sich auf meinen Alltag auswirken – demnächst treffe ich vielleicht einen Syrer oder Kurden oder Afghanen auf der Straße – oder suche vielleicht auch einen, um mit ihm/ihr zu sprechen, ihn/sie dabei zu unterstützen, Deutsch sprechen und verstehen zu können.

Ich will versuchen, die Hoffnung zu bewahren, dass die Einsicht, dass es nur eine Erde gibt, sich schneller verbreitet, als diese Erde gänzlich ausgeplündert wird.