Übergang – übergangen

Vermutlich ist das Thema den Träumen der vergangenen Nacht geschuldet. Übergänge erlebe ich im Selbstumgang vor allem, wenn sie plötzlich eintreten. Solange sie sich schleichend vollziehen – wie mein Alterungsprozess – kann ich sie gut ignorieren. Die alltäglichen Übergänge von Einschlafen und Aufwachen, Berufszeit und Feierabend, Wochentage und Wochenenden folgen Routinen, die den Übergangscharakter verwischen.

In meiner Familie wird meine Tochter so langsam zur jungen Frau – ich bemerke, dass sie gewachsen ist – an Körpergröße und Reife. Sie befindet sich im Übergang, der auch ein Übergang in unserem Zusammenleben mit sich bringt.

In meinem nahen sozialen Feld finde ich dasselbe – schleichende, meist ignorierte Übergänge – Alterungsprozesse, routinierte Übergänge, die in der Regel gar nicht erst zu Bewusstsein kommen. Im ferneren sozialen Umfeld sind die Übergänge massiv und kaum wegzudrängen. Die Klimaveränderung wird das Miteinander auf diesem Planeten verändern – wie, vermag ich nicht zu sagen. Auch die politische Landschaft – in der BRD, in Europa und weltweit nehme ich im dramatischen Übergang in eine unbekannte Zukunft wahr.

Körperlich empfinde ich Schwäche in den Armen, Beinen und im Becken, der Impuls ist, meine Bauchseite zu schützen und meine Augen schauen nach oben.

Emotional finde ich eine überraschende Ambivalenz – einerseits eine unbestimmte Furcht und andererseits so etwas wie jubelnde Freude.

Ich denke dass die Urerfahrungen von Übergang in Geburt und Sterben, bzw. Zeugung und Tod liegen. Insbesondere die Todesgewissheit unterliegt nach wie vor der kollektiven Verdrängung, von der auch ich mich immer wieder einlullen lasse. Dies führt dann zum eigentümlichen Effekt, dass ich die Übergänge allzu leicht übergehe. Übergang in einem anderen Sinn ist aber auch das Übergehen in andere Räume oder Sphären. Das Überqueren von Grenzen als existenzieller Prozess, der Leben erst ermöglicht. Diese Übergänge vollziehen sich auf allen Ebenen – der Übergang von Sauerstoff aus der Luft ins Blut, der Übergang des Bluts in die Organe, Übergänge von Gedanken von mir zu Dir, Übergänge von Waren, Geld usw. usf.

Meine Hoffnungen bezüglich aktueller und künftiger Übergänge ist immer, dass sie zu etwas Besserem führen werden, als das was verlassen werden muss. Allerdings führt die Furcht vor dem Schlechter-Werden häufig zur Verdrängung des Übergangs.

Damit wird das Erreichungsziel deutlicher – bewusst, die wichtigen Übergänge wahrzunehmen; Bewusst, die Chancen und Risiken in den Blick zu nehmen, bzw. das heimliche Vermeidungsziel – der Veränderung zu entgehen – fallen zu lassen.

Ein erster Schritt in diese Richtung wäre, mich für meine existenziell anstehenden Übergänge zu sensibilisieren, mich auf sie vorzubereiten und einen akzeptierenden inneren Umgang damit zu finden.

Ich denke, mein Selbstumgang würde freundlicher dadurch werden, mein Umgang mit den mir nahen Menschen angemessener und wer weiß, vielleicht finde ich sogar die Energie mich in die sozialen Bewegungen einzubringen, die die anstehenden Übergänge bekömmlich gestalten wollen.

In der Abschlussstille taucht ein Gefühl von Frieden auf – der Frieden mit dem Unvermeidlichen, der aus der Aufdeckung der verdrängten Todesfurcht entstehen mag.

Gewalt – gewollt?

Die Anschläge von Paris lassen mich nicht kalt, auch wenn ich mir viel Mühe gebe, mir die Bedeutung nicht zu nahe kommen zu lassen.

In meinem Selbstumgang kenne ich verschieden Formen von mehr oder minder subtiler Gewalt. Schmerzhafte Gewalt habe ich mir als Teenager zugefügt, als ich mich selbst tätowiert habe. Dass ich immer noch rauche, könnte als milde Form der Gewalt gelten. Ähnlich ist es mit meinen Selbstgesprächen – als Teenager und Junger Mann habe ich mich häufig selbst abgewertet bis hin zur Verachtung. Heute habe ich einen deutlich milderen Selbstumgang entwickelt.

Im Beziehungskontext kenne ich Gewaltimpulse ebenfalls, vor allem aus der Vergangenheit. Situationen, in denen ich mich ohnmächtig und/oder verletzt gefühlt habe, haben regelmäßig Gewaltfantasien und –Impulse heraufbeschworen – es ging so manches Glas zu Bruch, aber ich konnte mich soweit beherrschen, nicht auf die vermeintlichen Täter*innen loszugehen – es sei denn mit Worten, die allerdings über ein gewaltiges Gewaltpotenzial verfügen.

Im sozialen Kontext hatte und habe ich wenig Erfahrung mit Gewalt – ich habe mich stets am Rand von Gruppen aufgehalten. Die wenige Erfahrung, die ich habe ängstigt mich eher – eine aufgeputschte Truppe, die zu wissen glaubt, dass sie für das Gute kämpft entwickelt eine beträchtliche und mitreißende Dynamik – der Verstand tendiert dahin, sich zu verabschieden.

Wenn ich auf die Empfindungen meines Körpers zum Thema achte, dann spüre ich deutlich meine Augen- und Kinnpartie, meine Hände und Arme.

Emotional sind die Augen mit Trauer und Schmerz assoziiert, Arme und vor allem die Hände mit maßloser Wut und Killerimpulsen.

Rational kann ich die Gewalt in den Kontext von Wut – ausgelöst durch Schmerz, Unfairness und Grenzverletzungen setzen. Die Fähigkeit, in der Wut gewalttätig zu werden ist eine angeborene Option – diese Impulse zu beherrschen und/oder zu kanalisieren eine Aufgabe der Zivilisation. Gewalt hat viele Gesichter – die Gewalt im Sinne einer militärischen oder quasimilitärischen Ausübung, aber auch die Gewalt von Gesetzen und Bestimmungen, die Ausgrenzen und Diffamieren und sicher noch andere.

Für mich selbst habe ich bereits erreicht, dass meine Wut mit mich (meistens) nicht mitreißt. Ich würde gerne erreichen, dass es mir gelänge, zu trauern, wenn mir etwas angetan wird, wenn ich etwas verliere oder ich Schmerzen habe. Ich befürchte aber, dass ich zu oft vermeiden will, mein Gesicht zu verlieren oder mich schwach zu zeigen.

Wünschen würde ich mir, dass die Fähigkeit zu trauern noch von viel mehr Menschen genutzt werden würde – ist es nicht auch ein Aspekt von Terror, dass die Hinterbliebenen die Trauer fühlen, die die Täter schon lange verdrängt haben?

Ich könnte mir vornehmen, nach der Wut auch nach dem Verlust und der Trauer zu suchen und über das Mitgefühl mit mir selbst auch wieder Mitgefühl für vermeintlichen Täter*innen zu entwickeln.

Gelänge mir dies, würde ich wohl mehr Gelassenheit entwickeln – mehr Annahme dessen, was so ein Leben mit sich bringen kann.

Gewalt ist kein Naturgesetz.

Ordnung

„Ordnung ist das halbe Leben“ heißt es – und „Ordnung muss sein“ ist mir als Deutscher auch sehr vertraut.

Im Umgang mit mir selbst erlebe und verhalte ich mich ein wenig ambivalent zur Ordnung. Einerseits sehr diszipliniert – pünktlich und aufgeräumt und andererseits immer gut dafür, etwas aufzuschieben und irgendwo ist immer noch eine Ecke, in der gerade nicht aufgeräumt ist. Ich schätze meine Routinen, auf die ich ordentlich aufpasse, die ich ungern unterbreche oder verändere.

Im Umgang mit meiner Liebsten und meiner Tochter erlebe ich mich öfter so, dass mich die „fremde“ Unordnung eher stört, als meine eigene. Das gilt vor allem in den gemeinsam bewohnten Räumen – der Küche, dem Wohnzimmer und in Bad und Klo. Gerade habe ich geputzt und schon kommt wieder eine und kleckert herum, ohne es wegzuputzen – krümelt das Sofa voll, ohne es wegzusaugen usw. usf.

Im sozialen Umfeld kommt sofort die Assoziation von „Recht und Ordnung“ in mir auf. Was Recht ist und wie es durchgesetzt wird, ist eine Frage, bei der ich mich immer wieder gut aufregen kann. Ganz aktuell das Thema der Syrien Flüchtlinge und welchen Status sie in Zukunft erhalten sollen. Häufig erlebe ich mich eher trotzig und bockig gegen fremdgesetzte Ordnungskriterien – auch wenn ich im nächsten stillen Moment einsehe, dass Kriterien irgendwie gesetzt werden müssen – aber ausgerechnet so?

In meiner Körpersphäre spüre ich mit dem Begriff Ordnung vor allem meine Körperoberfläche – sie fühlt sich entspannt, fast schon heiter an.

Mehr in der Tiefe kann ich dann leicht in Kontakt mit dem Trotz kommen, mit dem Impuls, meine Ordnung selbst bestimmen zu wollen.

Ich denke, dass Ordnung ein Effekt der Selbstorganisation des Universums darstellt. Ordnung stellt sich ein, wenn Energien und Strukturen durch Flüsse miteinander kommunizieren und zeitstabile Systeme erschaffen, die auf einen Menschen geordnet wirken. Dieser Ordnungseffekt wirkt meiner Ansicht nach auf allen Systemebenen – von der biologische über die psychische bis zur sozialen.

Ich möchte gerne erreichen, dass es mir gelingt, meine Angelegenheiten ordentlich und vor allem zeitnah zu erledigen. Ich bemerke dabei meinen Trotz, der vermeiden will, dass ich allzu gehorsam erscheine.

Wünschen würde ich mir eine ordentliche, nämlich gerechtere Weltordnung, in der die Menschenwürde nicht vom Zufall der Geburt abhängig ist.

Für mich wäre es wohl wirklich ein Schritt, meine Pflichten nicht immer erst in letzter Minute anzugehen und das Bedürfnis des Trotzes, meine Autonomie zu spüren, auf andere Art stillen zu können.

Ich vermute, dass ich mein immer wieder leicht gestresster Zustand dadurch etwas Ruhe finden würde. Möglicherweise wäre ich sogar toleranter dem „Fremdchaos“ gegenüber.

In Abschlussstille taucht die Einsicht auf, dass Ordnung ein Prozess und keine statische Struktur ist.

Stille – gestillt

Dieser Blog heißt: „Aus der Stille am Montagmorgen“. Montagmorgens sitze ich vor dem Computer und suche die Stille in mir – was ich immer wieder auch recht anspruchsvoll finde. Wenn es mir gelingt, in mir Stille zu finden, finde ich damit auch einen Augenblick Ruhe, einen Moment von Einklang, von einfachem Sein.

Die Stille mit meiner Liebsten ist manchmal zweideutig – haben wir uns gerade nichts zu sagen? Oder erleben wir einen Moment von Eintracht? – Nein, eigentlich lassen sich die beiden Situationen gut unterscheiden. Und auch mit anderen nahen Menschen gab und gibt es diese Momente der einträchtigen Stille.

Im sozialen Kontext kenne ich das peinliche Schweigen – aber das ist keine Stille, denn innerlich bin ich dann eher aufgeregt. Schöne gemeinsame Stille habe ich schon beim gemeinsamen Meditieren erlebt – hier bekommt die Stille auch eine besondere Kraft.

Körperlich verbindet mich die Stille mit friedfertiger Gegenwart – ich kann mich lassen, genauso, wie ich gerade bin. Vielleicht bin ich etwas verkrampft, vielleicht tut mir etwas weh oder ich fühle mich gerade sehr entspannt – alles ist gut, so wie es ist. Wenn nur nicht der „busy mind“ so vehement die Stille stören wollte.

Emotional komme ich zur Ruhe, bzw. zu einem Abstand zu meinen Gefühlen. Stille kann ich auch mit unguten Gefühlen aufsuchen. Gerade weil ich mich in mancher Hinsicht so verletzlich fühle, hilft mir die Stille, mich auch so anzunehmen.

Meine Gedanken zur Stille speisen sich aus der Zen-Buddhistischen Tradition. Aus der Stille erwacht/erwächst ein präsenter Geist, der im Einklang mit dem Tao/Do mitfließen kann. Neurologisch wäre das vielleicht so etwas wie ein Theta-Wellen-Zustand, bzw. eine Synchronisierung von linker und rechter Hirnhemisphäre. Seit ich die Idee von einer möglichen Stille kenne, fasziniert sie mich jedenfalls.

Stille zu erreichen ist für mich erstrebenswert. Meine Erfahrungen damit schätze ich als wertvoll und hilfreich ein. Mein Eindruck ist, dass ich dadurch einen klareren Blick auf mich und mein Welt bekomme. Leider kann ich (noch?) nicht verhindern, dass immer wieder mein busy oder mein gossip mind, lärmend in meine Stille einbrechen. Natürlich bin ich kein Mönch und so brauche ich die meiste Zeit des Tages auch ein Alltagsbewusstsein, das mir hilft, meine Geschäfte und Jobs zu erledigen.

Meine Hoffnung richtet sich darauf, dass die Übung der Stille mich immer präsenter werden lässt, es mir erlaubt, ganz bei mir zu sein und damit auch offener und bereit für schöne Begegnungen zu werden.

Schritte in diese Richtung ist meine tägliche Meditationspraxis und Experimente in Alltagssituationen – mich immer wieder ein Stück weit mit meiner Stille zu verbinden und sie als Kraft-Ort meiner einmaligen Existenz zu nutzen – Vor allem auch dann, wenn es mir nicht gelingt, die Stille zu finden und mein Bedürfnis nach Einklang nicht gestillt ist.

Zuversicht – unverzichtbar

Meine Stille am Montagmorgen gebiert manch überraschenden Gedanken – heute tauchte Zuversicht auf.
Zuversicht suche ich in meinem Selbstumgang vor allem im Hinblick aufs Älter-Werden. Ich versuche zuversichtlich zu sein, dass ich halbwegs gesund und geistig fit durch meine Altersphase gehen kann. Inzwischen tue ich auch einiges dafür, dass sich die Wahrscheinlichkeit dafür erhöht. Ich bemerke dabei auch, dass ich mich gerne mit Wunschgedanken beruhige.
Bezüglich meiner Liebsten, meiner Kinder, Enkel und Eltern pflege ich eine blinde Zuversicht – es wird schon alles gut werden und so bleiben.
Bedroht ist diese Zuversicht durch die lokalen und globalen Entwicklungen, die sich wie eine bedrohliche Wolkenfront in mein Gesichtsfeld schieben. Wenn ich mich lokal noch auf eine tatkräftige und hilfsbereite Mitbevölkerung beziehen und mich mit ihr beruhigen kann, dann wird die Zuversicht immer schwieriger, je weiter weg mein Blick schweift – aus der Wolkenfront wird eine Art Hurrikan.
Wenn ich nach der körperlichen Resonanz von Zuversicht suche spüre ich widersprüchliche Empfindungen. Mein Brustraum mag sich weiten und öffnen, aber meine Augenlider werden so schwer, dass sie den Kopf nach vorne und unten ziehen. Meine Arme fühlen sich schwach an.
Wenn es mir gelingt, plausible Zuversicht zu finden breitet sich eine wohliges Gefühl aus, ich fühle mich weicher, freundlicher und eben zuversichtlicher werden.
Gedanklich befinde ich mich zwischen den Polen der Zuversicht und eines skeptischen Realismus. Ich wünsche mir so sehr, dass alles gut werden möge, denke aber auch, dass das eben kaum möglich sein wird. Dabei drücken vor allem die ferneren und übermächtigen Entwicklungen wie die Umweltkrise, die kriegerischen Konflikte oder die technische Entwicklungen – Big Data, Genmanipulation, Landwirtschaftsindustrie – auf meine Stimmung und trüben damit auch meine Zuversicht für die näheren Bereiche ein.
Ich bemerke, dass ich Zuversicht häufig als Vermeidungstaktik verwende, damit ich nicht die Ohnmacht fühlen muss, in der ich mich erlebe. Zu erreichen wäre für mich, dass ich meinen Einflussbereich so nutze, dass die Chancen besser werden, dass es gut weitergehen kann.
Meine Hoffnungen und Ängste bewegen sich gerne zwischen schwarz und weiß. Hier eine Sensibilität für die Grautöne zu entwickeln wäre wohl hilfreich.
Ein konkreter Schritt für mich ist sicher, meinen Blick auf mögliche und konkrete Erreichungsziele zu üben. Zuversicht, dass mein Kind die Schule gut schaffen wird, dass ich etwas dazu beitragen kann, indem ich sie ermutige und für sie da bin, wenn sie mich braucht. Überhaupt meinen Blick dafür zu sensibilisieren, wenn in meinem näheren Umfeld, sich jemand Sorgen macht, vor einem Hindernis steht oder an sich zweifelt.
Ich denke, dass ich damit auch für mich selbst mehr Vertrauen in meine Zuversicht finden kann und die Balance mit einer realistischen Sichtweise gelingt.
So betrachtet erscheint mir Zuversicht als etwas ausgesprochen positives.